01. – 03.07.2022 – Schlüsselübergabe
Als ich den Blogbeitrag anfing war Freitag, der 01.07. inzwischen haben wir Sonntag, den 03.07.2022.
Endlich Regen. Natur und Mensch brauchten mal wieder Regen. Nur die winterlichen Temperaturen nicht. Am Abend vor dem Regen noch die laue Sommernacht auf der Terrasse genossen und der Grille beim Zirpen zugehört. Vor ein paar Tagen ist eine Grille in Kastanie Nummer 4 eingezogen. Seitdem beglückt sie uns jeden Abend mit ihrem Konzert.
Auf dem Weg zum Schwieger fahren wir zum Haus. Heute ist es offiziell. Schlüsselübergabe. Immer wieder waren wir in den letzten Tag am Abend kurz dort. Es hat geholfen sich zu verabschieden. Denn die Elektriker taten tagsüber ihr Werk. Viele Schlitze wurden geschlagen, viele Kabel verlegt. Manches erschien uns nicht sinnig. Das Haus so zu sehen schmerzte und gleichzeitig, tat es kund, hier zieht neues Leben ein. Der neue Besitzer sprach es aus: „Je mehr wir machen, desto mehr wird es Stück für Stück unseres.“ Und desto weniger unseres, ergänzten wir. So soll es denn wohl sein.
Wir erfuhren auch, dass der Eltektriker auf bestimmte Dinge bestand, die man selbst auch gerne anders gehabt hätte. Auch die vielen Kabel verwunderten den neuen Hausbesitzer. Das wäre so nicht geplant gewesen.
Später, nachdem der Schlüssel nun offiziell den Besitzer wechselte und wir wieder im Auto saßen, sinnierte ich, dass ich mir dann doch einen anderen Elektriker gesucht hätte. Denn ich bin mir nicht sicher, ob ich mir die nächsten dreißig Jahre einen aufgezwungen Kompromiss angetan hätte, wenn es dafür andere schönere Lösungen gegeben hätte.
Vielleicht liegt es einfach auch nur daran, dass wir das mit der Baustelle schon haben und ich durchaus meine Erfahrungen mit schlechten Lösungen. Ich kann nur für sie hoffen, das sie die jetzige Lösung nicht irgendwann bereuen.
Der Elektriker bestand darauf, dass es einen großen Sicherungskasten im Keller gibt. Damit enden alle Kabel – vom Dachboden bis Keller – jetzt dort. Es bedeutet aber auch, dass alle Kabel ihren Weg dorthin finden müssen. Gewünscht war eigentlich, dass jedes Stockwerk seinen eigenen Sicherungskasten im Erdgeschoss bekommt und nur die dicken Leitungen im Keller enden. Jetzt endet alles im Keller und es mussten viele Löcher durch Decken gebohrt werden. D.h. will man zukünftig am Strom was machen, muss man von oben in den Keller. Haut es die Sicherung raus, muss man in den Keller. Sprich es sollten viele Taschenlampen im Haus vorrätig sein. Bisher war der Sicherungskasten im Erdgeschoss. Eigentlich hätte man ihn nur versetzen müssen und mit den neuen Kabeln bestücken.
Kurz vor Schluss
Beim Schwieger die alte Hollywoodschaukel zusammengebaut, die wir in der Abstellkammer fanden. Während wir so schaukelten, stellten wir fest, dass wir gerade auf einer Hollywoodschaukel schaukeln, die mindestens so alt ist wie wir. Also um die 50 Jahre. Sie tat bereits beim Haus, mit den jetzt neuen Besitzern, ihren Dienst und verschwand irgendwann in der Abstellkammer.
Diese Abstellkammer war eine Fundgrube. Dort fanden sich nicht nur diverses Gartenmöbelzeugs – welches wir dem Sozialkaufhaus übergaben -, sondern auch noch ein paar wenige Schulhefte MonAmours.
Kennen Sie noch diese lustigen Textaufgaben? Davon fanden sich viele in der Kammer. Und heute kann man sich das kaum noch vorstellen: Damals noch im Matrizendruckverfahren in diesem typischen blau angefertigte Kopien.
Ein wenig später fuhren wir Zeugs zum Recyclinghof. Da dachten wir schon wir wären die letzten Kunden für den Tag. Es war 17:44 Uhr als wir in den Hof fuhren. Den Zimmerbrunnen hatten wir natürlich nicht ordentlich in seine einzelnen Bestandteile getrennt. Der freundliche Mitarbeiter meinte dann jedoch wir würden das schon schaffen. Während wir als am Bauschuttcontainer den Zimmerbrunnen in Sperrmüll, Technik und Bauschutt trennten, füllte sich der Hof zusehends. 10 Minuten vor Feierabend war plötzlich der Hof voller Transporter und Autos. Die alle anfingen auszuladen als wir vom Hof fuhren.
Rechnungslegung
Die Rechnungslegung zu denen alle verpflichtet sind, die eine gesetzliche Betreuung übernommen haben, wurde geprüft und mit Dank zurück gesendet. Bereits die verstorbene Schwiegerschwester wurde aufgefordert Landespflegegeld für die Betreute zu beantragen. Jetzt wurde ich aufgefordert dies zu tun. Bisher hatte ich darin noch keine Notwendigkeit gesehen. Mir leuchtet es auch nicht ein.
Ich folge also der Bitte und sehe mir die Seite zur Beantragung des Landespflegegelds beim Landesamt für Pflege an. Dort erfahre ich, dass Menschen ab Pflegestufe 2 eine Landespflegegeld von jährlich 1000 Euro beantragen können. Mit dem Geld können sie sich selbst Gutes tun oder ihnen nahestehenden Menschen.
Warum wir jetzt das Landespflegegeld beantragen sollen, erschließt sich uns jetzt so gar nicht. Aber gut. Der Mensch vom Amtsgericht wird sich dabei schon was gedacht haben. In diesem Fall wäre es jedoch nicht nötig.
Interessant ist ja, dass sich die Amtsmenschen mehr Sorge darüber machen, dass die Menschen, die unter Betreuung stehen nicht benachteiligt werden und weniger um die Menschen, die ehrenamtlich den Job der Betreuung übernehmen. Ich erfuhr auch nur durch Nachfrage, dass die Betreuungspauschale von der verstorbenen Schwiegerschwester noch nicht abgerufen wurde.
Nicht verkehrt verstehen, es ist richtig und wichtig, dass die Amtsmenschen ein wachsames Auge auf die von amtswegen unter Betreuung stehenden Menschen haben und gucken, dass diese nicht benachteiligt werden. Es wäre nur einfach auch nett, wenn die ehrenamtlichen Kümmerer auch ein wenig Anerkennung erfahren würden, ohne viel fragen zu müssen.
Ja, es gibt eine Betreuungspauschale von inzwischen 400 Euro im Jahr. Die sind, wie ich jetzt auch erfuhr, von der Betreuten an den Betreuer zu zahlen. Damit sind dann alle Fahrtkosten finanziell ausgeglichen. Auf Nachfrage durfte ich jetzt anteilig an den gesetzlichen Betreuer die Betreuungspauschale auszahlen.
Weil die verstorbene Schwiegerschwester einen PKW hatte, wurden wir auch dazu aufgefordert, Stellung dazu zu nehmen, was denn jetzt mit dem PKW geschieht.
Im Amtsdeutsch kommt man sich nach dem Lesen von solchen Schreiben oft ein wenig gegängelt vor. Wenn man dann jedoch mit dem zuständigen und wirklich freundlichen Herrn vom Amt persönlich via Telefon spricht, ist alles nicht mehr so dramatisch. Interessant ist, dass ich beim Schreiben oft auch in diesen seltsamen bürokratischen Ton verfalle.
Schreibtischarbeit
Der Prüfbericht brachte damit auch etwas Schreibtischarbeit mit sich. Da ich schon dabei war brachte ich auch gleich die verschiedenen Akten dazu auf den aktuellen Stand. Der Kopierer, den wir ebenfalls geerbt haben, motzt, weil er kein Futter hat. Dabei hatten wir doch erst die Tintenpatronen ausgetauscht. Fürs Büro selbst hätte ich ja gerne einen Laserdrucker, irgendwann mal, wenn der monatliche Verdienst mal im Erdgeschoss angelangt ist. Noch haben ich U-Bahn-Niveau.
Also habe ich erstmal Tintenpatronen bestellt. Dieser neumodische Drucker mit Scanner scannt nämlich auch keine Dokumente, solange er kein Futter hat. Ziemlich nervig das.
Es folgten erweiterte Schreibtischaufräumarbeiten. Sprich auch das Umfeld wurde ein wenig aufgeräumt. Umso ärgerlicher, dass der Scanner nicht funktionierte, damit hätte sich gleich ein wenig Papier reduzieren lassen.
Einladung zum Klassentreffen
Die ehemalige Klassenkameradin hat wieder einmal ein Klassentreffen organisiert. Das letzte dürfte jetzt mehr als 10 Jahre zurückliegen. Neben dem Termin und der Uhrzeit berichtet sie auch Trauriges. Inzwischen sind drei unserer damaligen Wegbegleiterinnen gestorben. Ich erfahre, dass eine der Verstorbenen inzwischen Ärztin war. Neben der traurigen Nachricht bestärkt es wieder einmal zwei Überzeugungen von mir:
Auch mit einem Realschulabschluss kann man noch viel erreichen. Das mag nicht der einfachste Weg sein. Es zeigt jedoch auch, dass es verschiedene Wege zum Traumberuf gibt. Zum anderen versuche jeden Moment deines Lebens zu genießen. Verschiebe nicht alles irgendwohin, von dem du es noch machen möchtest. Es könnte sein, dass du nicht mehr dazu kommst. Den Satz „Wenn ich mal in Rente bin“, habe ich selbst viel zu oft gesagt. Aber was weiß denn ich, ob ich die überhaupt erlebe.
Mir ist schon auch klar, dass das jetzt ein wenig zu sehr nach Kalenderspruch klingt. Denn neue berufliche Wege zu gehen, den Traumjob zu finden und zu erreichen, ist mit bestimmten Ausgangspositionen wirklich nicht einfach und ist mit verdammt viel Arbeit verbunden. Auch jeden Moment des Tages zu genießen ist keine leichte Aufgabe und klingt nun wirklich wie aus der hintersten Esoterikecke hervorgekramt.
Viel zu oft können wir die Tage nicht genießen, weil uns Schmerzen plagen, schlechte Laune und leidige Diskussionen. Auch das ist – das Leben. Und manches – besonders bei leidigen Diskussionen, weil man mal wieder seinem Ärger und Frust Luft gemacht hat, – hätte man sich hinterher schenken können. Gehört – so doof es ist, auch zum Leben dazu.
Ich glaube jedoch wirklich, und mir geht es hir nicht um gutes Essen und guten Wein oder „jetzt doch den Porsche bzw, das Cabrio“, sondern wirklich darum, zu hinterfragen, was ist mir im Leben wichtig, was möchte ich (noch) tun, wie will ich mein Leben verbringen und gestalten, welche Beziehungen sind mir wichtig. Je eher wir das tun, desto eher lassen sich dazu auch die Weichen stellen, denke ich so. Das Leben kann dann unverhofft immer noch dazwischen kommen.
Ich für meinen Teil möchte gerne gelassener durch die Tage gehen – daran arbeite ich gerade. Ich möchte, sobald es die finanzielle Situation wieder zulässt, öfter ein paar Tage woanders verbringen. Dazu muss ich jetzt nicht gleich nach Gomera, aber ein paar kleine Städtetouren oder mal ins Kloster, würde ich schon gerne mal machen. Zeit für mich und mit mir. Abseits von Alltag und Haushalt.
Ich sage Ihnen wie es ist, ich leiste mir gerade den Luxus mein Leben neuzugestalten, auch beruflich. Das ist mit ziemlich hohen finanziellen Einbußen verbunden und mit vielen Einschränkungen.
Es ist ein Luxus, den ich mir gerade leiste, weil ich für mich die Zeit, die ich jetzt habe, nutzen möchte, um genau diesen Fragen nachzugehen. Wie will ich zukünftig leben. Mir ist auch klar, dass sich nicht jeder diese Zeit nehmen kann und nicht jeder einfach mal „nichts verdienen kann“, um sich dieser existenziellen Frage zu stellen. Danach ist es immer noch schwierig genug, sich seinen Traum vom Leben zu erfüllen. Ärztin, das ist allerdings ziemlich sicher, werde ich nicht mehr. Aber vielleicht ja einen gute Beraterin, die der Seele gut tut, mit einer drei Tage Arbeitswoche. Wer weiß.
Genußmomente
MonAmour hatte sich ebenfalls am Schreibtisch festgespaxt. Irgendwann kam die Frage: „Bewegen wir uns noch ein wenig oder imitieren wir Flugplatz?“ Ich war ganz klar für „Flugplatz imitieren“. Also flugs zwei Stühle ins grüne Gras gestellt, Lesestoff und Wasser dazu, fertig.
Einen Teil des Nachmittags verbrachten wir auf der einen Seite des Gartens, den anderen Teil auf der gegenüberliegenden Seite unter den Nussbäumen. Dann war es Zeit für den Grill und das Abendessen, welches wir diesmal auf der Terrasse einnahmen.
Später entfachten wir noch ein kleines Feuer. Danach sahen wir uns den Rest von Eldorado an. Einer meiner Lieblingswestern, den ich damals als Kind sogar auf eine Musikkassette überspielte, damit ich ihn mir über meinen Kassettenrecorder anhören konnte. Ich kenne die Dialoge also auswendig. Ebenso hatte ich auch Pippi Langstrumpf auf Kassette überspielt. Wozu fertige Kassetten kaufen, wenn man das mit ein paar Kabeln und einer Stereoanlage selbst machen kann.
Ich bin bis heute Hörbuchfan. Kaufe nur viel zu selten, weil mir oft schlicht die Zeit dafür fehlt, seitdem ich keine langen Strecken mehr fahre.
Der Abend klang mit ein wenig lesen aus. Manchmal braucht es nicht mehr.
Der Sonntag, als siebter Tag der Woche, war genau das, was er sein sollte: Ruhetag. Mit ein wenig Bügelwäsche, einem späten zweistündigem Nachmittagsspaziergang, und weiterer Grillsession auf der Terrasse. Dabei festgestellt, dass auch die Grille umgezogen ist. Sie wohnt jetzt nicht mehr in Kastanie Nummer 4, sondern unter der Nussbaumallee Nummer 1.