10.06.2022 – Lesestoff
Morgensfrüh
Früh aufgewacht und etwas später aufgestanden. 6:30 Uhr. Mein Biorhythmus richtet sich scheinbar nach den Sonnenzeiten. Früher hell, früher aufwachen. Nach der üblichen Morgenroutine (Abspülen, Waschen) zieht es mich an den Schreibtisch. Chaosbeseitigung. Ich habe hier ja nur eine kleine Ecke. Nachdem die Pflanzen jetzt alle draußen sind, ist an der Seite Platz für den ungelesenen und angelesenen Fachbücherstapel. Damit mehr Platz auf dem Schreibtisch. Dann noch Post sortieren und einordnen. Mist, da fehlt ein Monat. Ich hoffe sehr, dass er in einem der vielen Stapel verschwunden ist.
Die Waschmaschine rotiert derweil vor sich hin und macht ihren Job.
Zwei Stunden später rührt sich MonAmour. Zeit für Frühstück. Die erste Wäsche kann auch raus. Wir treffen uns auf der Terrasse zu Buttercroissant und Kaffee (Ich) und Butterbreze (MonAmour). Die Vögel zwitschern derweil lauthals aus den Nussbäumen. Sie fühlen sich in ihrer Frühstücksroutine gestört, während wir die Sonne und den blauen Himmel genießen und den Tag besprechen.
Ein Passant kommt vorbei. Er fragt besorgt nach, was mit MonAmour los ist, ob alles in Ordnung ist, weil er nichts macht. MonAmour leicht verwirrt: „Ja, ja, schon. Handelt sich nur um chronische Unlust.“ Passant: „Gott sei Dank. Ich dachte schon es ist was schlimmeres, sonst sind Sie bei jedem Wetter draußen und werkeln.“ So viel Anteilnahme fand ich direkt goldig.
Später, als wir reingehen, meint MonAmour: „An den Zustand, wie jetzt, ein wenig hier machen, ein wenig auf der Terrasse sitzen, könnte ich mich gewöhnen. Einfach so vor sich hinleben.“ Ich: „Das nennt man Rente.“ – Der Mann ist also nicht nur Urlaubs- sondern auch Rentenreif. Wir arbeiten daran.
Lesestoff
Heute zwei Büchersendungen erhalten. Die erste Büchersendung war ein bestelltes Exemplar von Ian Rankin. Ein neuer Rebus-Krimi. Beim zweiten Exemplar handelt es sich um den ersten Teil von zwei Rezensionsexemplaren. Zum Buch gibt es ein „Workbook“. Ich hoffe das Buch kommt demnächst auch noch. Große Freude.
Besuchstag
Ein Besuch bei der kleinen Schwiegerschwester steht an. MonAmour und ich sinnieren, wie man wohl Ehrenamtliche findet, die sie ein- bis zweimal in der Woche besuchen und ihr vorlesen, Kreuzworträtsel mit ihr machen und sich mit ihr unterhalten, ohne aus der Fassung bringen zu lassen. Sie ist ja speziell und ein erster Versuch vor einigen Jahren bereits gescheitert. Was wohl auf der ehrenamtlichen Seite für großen Unmut gesorgt hat und die Stelle, die das damals organisiert hat, wenig Bereitschaft zeigt einen zweiten Versuch zu unternehmen. Ehrenamtliche zu bekommen und zu halten ist schließlich schon schwer genug, besonders in einer Kleinstadt.
Herausforderungen
Diesmal hatte ich beschlossen mit ihr spazierenzugehen und ins Cafè. Zwei Herausforderungen auf einmal. Zum ersten Mal seit 30 Jahren schob ich mal wieder einen Rollstuhl und scheiterte prompt an einer Gehsteigkante. Da mir kippen noch zu unsicher war, also Rückwärtsdrehung. Dies führte dazu, dass ich sämtliche Straßenübergänge auf ihre Gehsteigkantenhöhe ins Visier nahm. Die Dame ist nun mal kein Leichtgewicht. Mit zunehmender Strecke gelang auch irgendwann das Kippen. Vorausschauendes schieben jedoch unabdingbar. Neben Gehsteigkanten sind auch ungeschnittene Hecken und Büsche an Zäunen entlang zu beachten und ungekehrte Gehsteige können ebenfalls zur Herausforderung werden.
Die zweite Herausforderung: Allein mit der Schwiegerschwester im Cafè ohne Begleitschutz und Puffer. Letztes Mal war der Gemeindepfarrer dabei. Im Cafégarten war nicht viel los. Trotzdem war kein Tisch mit Schatten frei. Daher blieb nur der sehr sonnige Tisch in der Mitte. Während unseres Aufenthalts im Cafégarten sorgten wir denn auch zur teilweisen Erheiterung der Gäste. Aufgrund ihrer geistigen Behinderung sind die Themen und ihre Eigen-Sinnigen Sichtweisen auch nicht immer einfach, dazu kommt, dass sie gerne laut spricht. Solange Kuchen da war, behalf ich mir oft einfach damit, dass ich ihr einfach was in den Mund schob, denn ich merkte schon, dass an den zwei Nebentischen jedesmal die Unterhaltung stoppte, wenn die Schwiegerschwester wieder die Stimme erhob.
Ein wenig kam ich mir vor wie in einem Theaterstück – mit der kleinen Schwiegerschwester und mir in den Hauptrollen. Spätestens als dann die Frage am Nebentisch aufkam, ob man sich noch was bestellen sollte („Vielleicht ein Glas Prosecco? Oder einen Eiskaffee?“) wurde dieses Gefühl übermächtig.
Als dann Kuchen, Kaffee und Eiskaffee gegessen und getrunken waren, ging ich zum Zahlen. Beim Verlassen des Gartencafés konnte ich mir ein lautes „Auf Wiedersehen“ nicht ganz verkneifen. Brav sagten dann auch alle „Auf Wiedersehen“ zurück. Seltsamerweise machte ich die Erfahrung, dass mir die ganze Situation (bis auf den Umstand der Hauptrolle in einem Improvisationstheater – man weiß nich so richtig, mit welchen Themen die kleine Schwiegerschwester ums Eck kommt) kaum etwas ausmachte. Vor vielen Monden wäre ich am Liebsten noch vor peinlichem berührtsein und Scham im Boden versunken. Vielleicht schließe ich das nächste Mal unsere Umgebung einfach in dieses kleine Improstück mit ein. Das wird bestimmt lustig.
Ausklang
Der Nachmittag und Abend klang, mit einem weiteren Spaziergang mit MonAmour und Abendessen einfangen, ruhig aus.