16.12.2024 – Nix Süßes
Sie hat es geschafft. Mit 16 Jahren hat sie angefangen zu arbeiten. Zwischendrin einen ähnlichen Werdegang wie ich. Sprachberatung. Frühstart. Sprachfachberatung. Jetzt hat sie Urlaub. Ab 1.1. dann im Ruhestand.
Sie ist noch im Arbeitsmodus. Trotz Urlaub fällt es ihr schwer. Sie wacht auf und überlegt, was sie heute alles erledigen müsste. Im Büro. Welche Kita… Aber halt, ich habe ja Urlaub.
Sie sagt, es fühlt sich nicht so an. Ob das wohl noch anders wird, fragt sie. Ich kann nur von mir sprechen. Ich brauchte auch 5 bis 6 Wochen bis sich bei mir sowas wie Urlaubsgefühle einstellten. Nein, ich bin nicht in Rente. Aber nach meiner letzten Festanstellung brauchte auch ich eine Weile, um zu kapieren, dass ich ja jetzt arbeitslos bin. Das ich nicht mehr PQB bin. Das ich draußen bin.
Wir waren beide in den Kitas unterwegs. Sie als Sprachfachberatung, ich als PQB. Wir sind beide 1000te von Kilometern gefahren. Das hat uns erschöpft. Neben der Arbeit, neben sich auf der Fahrt und davor zu überlegen, welche Kita, welches Thema, oder vielleicht vor Ort dann doch was ganz anderes.
Weißt du, sagt sie, wenn Dinge die mir Freude bereiten, mir keine Freude mehr machen, dann muss ich die Reißleine ziehen. Dann ist es höchste Zeit für kürzer treten.
Jetzt ist sie in Rente.
Nix Süßes
Wir sitzen in einem Cafè. Wir hatten uns nochmal verabredet. Sie hat mir einen Teil ihrer Kurse geschenkt. Ich schenke ihr eine kleine Weihnachtsüberraschung. Vielleicht bleiben wir in Kontakt.
Während wir aufstehen und unsere Jacken anziehen. Stehen zwei Männer am Verkaufstresen. Die Verkäuferin fragt den einen von beiden: „Heute nichts Süßes?“ Er: „Ich habe meinen Kollegen dabei, der ist süß genug.“ Alle lachen und sind gut gelaunt.
Später denke ich darüber nach. Kollegen. Beides Männer. Beide scheinen sich gut zu verstehen. Was, wenn es eine Frau gewesen wäre? Was, wenn beide Homosexuell sind? Oder nur einer von beiden? Dann wäre der Scherz, das so leicht dahin gesagte, übergriffiges Verhalten.
Ich erinnere mich an meinen letzten Kioskbesuch. Wie sich später herausstellt, steht vor mir die Bäckereiverkäuferin von nebenan. Sie erzählt dem Kioskbetreiber gerade etwas, kann es aber nicht vertiefen und sagt, während sie sich verabschiedet: „Später, Schatzi“. Auch sie haben sich gut gelaunt unterhalten. Niemand nimmt Anstoß.
Auf der einen Seite könnte man jetzt alles mögliche daraus machen. Gleichzeitig zeugt es von einer gemeinsamen Basis, von Leichtigkeit, von guter Laune. von Freude am Leben, von „wir dürfen so miteinander umgehen“, von Sicherheit, einem gemeinsamen Verstehen.
Auch hier könnte man übergriffiges Verhalten unterstellen.
Dabei war es einfach nur aus einer guten Laune heraus. Jedenfalls im ersten Augenblick.