23.06.2023 – Wer befolgt schon seine eigenen Ratschläge?
Schon lustig, wie das Leben manchmal so spielt.
Termin in der Stadt
Meine Peergroup und ich treffen uns mal wieder. Bei der Kollegin, bei der wir uns treffen durften wir alle die Freude über die Geburt ihres ersten Kindes teilen. Seit 1,5 Jahren kommen wir in den Genuss dieses Kind wachsen zu sehen. Gestern beim Treffen durfte ich es sogar auf den Arm nehmen. Das Kind wollte mir unbedingt zeigen, wo letztens noch die Schwalben saßen und flogen. Während des Termins bemerkten wir, wie selbständig das Kind geworden war, wie es sich alleine beschäftigt.
Da ich neben dem Kinderstuhl saß, hatte ich auch immer wieder Gelegenheit, Kontakt mit dem Kind zu haben und damit auch die Freude, dass es mir sein Essen anbot. Ein Tomatenkern, der auf meiner Hose gelandet war, wurde von den kleinen tomatensaftfeuchten Händen weggewischt. Interessanterweise erinnerte ich mich an ein früheres „Ich“, das mit gemischten Gefühlen die Hand genommen hätte nur um zu vermeiden, dass noch mehr „Schmutz“ auf die Hose kommt. Das heutige „Ich“ lächelte innerlich und honorierte das Bedürfnis des Kindes mir die Hose sauberwischen zu wollen, auch wenn noch viel Tomatensaft an den Händen klebte. Zwischendurch spielten wir „Kuckuck – Da“ mit einer Serviette vor dem Gesicht. Am Ende des Termins dachte ich so bei mir „Krippe, wäre vielleicht auch was.“ (Nur weiß ich leider sehr genau, warum ich diesen Job nicht mehr mache).
Beratung in eigener Sache
Von meinen Kolleginnen wünschte ich mir Beratung in eigener Sache. Denn der eine Stern, der letztens so verführerisch leuchtete am Sternenhimmel der Möglichkeiten, ließ aufgrund der Wegstrecke erhebliche Zweifel aufkommen. Während ich so Mutter und Kind beim Frühstücken beobachten durfte – angeblich ißt das Kind besser und schöner, wenn ich dabei bin – unterhielten wir uns darüber, wie es uns geht. Während ich so erzählte, was mich gerade umtreibt, kam ich meiner eigenen Lösung auf die Spur. In der aktuellen Runde dann, erzählte ich für die anderen nochmal, was mich umtreibt und auch da war klar, eigentlich würde ich bei diesem Stern mehr Zeit auf dem Weg verbringen, als bei den Menschen.
Später dann auf dem Sofa sitzend erzählte ich MonAmour von unserem Treffen und von dem Ergebnis. MonAmour rechnete die Stunden aus, die es unter Umständen bedeutet unterwegs zu sein. Das ist verdammt viel Zeit nur um von A nach B zu kommen. Zeit, die man vor Ort sinnvoller verbringen könnte. Gleichzeitig überlegte ich, genauer nachzufragen, denn eigentlich hätte ich ja nichts zu verlieren. Nun ja. Bisher konnte ich mich noch nicht durchringen. Interessanterweise ploppen weitere Sterne der Möglichkeiten auf, die eher in die bereits eingeschlagene Richtung weisen.
Ereigniskarten? Vorschau?
Manchmal wünschte ich mir, man würde mir eine Vorschau geben oder einfach nur sagen: Tu dies. Wie bei Monopoly, die Ereigniskarten. „Gehe direkt auf Los. Begib dich direkt dorthin. Du bekommst das Doppelte Geld.“ Oder eine Vorschau: Variante 1 – Freude in der Kita, viel Zeit auf der Straße, Aufstiegsmöglichkeiten. Variante 2: Freude in der Kita und in der Beratung, Mundpropaganda, Buchungen bis 2026.
Nur leider gibt das Leben keine Vorschau. Was ja auch sein gutes hat, weil wir Menschen ja im Hier und Jetzt unser Leben leben sollen.
Im Wartebereich
Die Mail, die ich schrieb, liegt noch immer im Entwurf. Bisher konnte ich mich nicht dazu aufraffen sie wegzuschicken. Dreimal schon habe ich sie immer wieder modifiziert. Vielleicht, vielleicht …. Es ist ein Stern neben all den anderen Sternen, die gerade leuchten. Dafür muss ich aber endlich meine Komfortzone verlassen und mich endlich endlich hinaus in die Wildnis begeben. Bis Ende des Jahres habe ich mir meine Deadline gesteckt.
Interessanterweise hatte ich, nachdem MonAmour und ich uns gegenseitig vom Tag erzählt hatten, einen Energie- und Motivationsschub. Den hatte ich schon lange nicht mehr. Genau der hat mir in den letzten Wochen so gefehlt.
Tiefe Täler ….
Als selbständig Arbeitende bzw. als Freiberufliche wird es immer wieder diese tiefen Täler des Zweifelns geben, wird die Eigenmotivation fehlen, werde ich mich bei Misserfolg fragen, warum nur…, bei ausbleibenden Aufträgen und Klienten, mich fragen, wie soll ich nur dieses Leben finanzieren, …. Immer wieder werden diese Gedanken aus den dunklen Tiefen aufsteigen … Dann werde ich wieder alle Jobbörsen durchsuchen und bei vielen Job’s denken „Gott bewahre, da gibt es Menschen, die für diesen Beruf brennen, die da gut aufgehoben sind. Ich bin es nicht.“ Es werden Sterne leuchten. Job’s bei denen ich lange lange überlegen werde, weil sie zu mir und meinem Portfolio und Erfahrungsschatz passen, als wären sie extra nur für mich ausgeschrieben worden. Ja, diese Sterne am Himmel gibt es. Sie sind selten, doch es gibt sie.
…. und hohe Gipfel
Aus dem tiefen Tal werden Wege führen, die steil bergauf führen, bis zum Gipfel. Manche werden steil geradeaus führen, leicht zu gehen, andere in Serpentinen, wieder andere werden ein wenig bergauf führen, ein wenig bergab, sie werden Kreuzungen haben, wo man sich entscheiden muss rechts, links, geradeaus, sie werden kurvig sein, vielleicht auch rutschig, mit Steinbröckchen, die unter den Fußsohlen schmerzen, mit Felsbrocken vor denen man steht, wie vor einer Wand, bis man den Weg drum rum entdeckt oder die Spalte, durch die man kriechen muss, manchmal wird man den Weg erhobenen Hauptes gehen, manchmal kriechend, weil so steil, ein anderes Mal will einen das Gepäck nach hinten und wieder runterziehen, ein anderes Mal wird es einen vorantreiben.
Bis man dann oben steht am Gipfel, pausiert, durchatmet und für diesen einzigartigen Ausblick belohnt wird, der einen für all die Mühen entlohnt. Manchmal wird es einen Weg geben, der über einen Höhenzug führt, manchmal muss man wieder ins Tal hinabsteigen. Manchmal wird der Weg entlang eines Flusses führen und alles wird fließen. Manchmal wird der Fluss in einem Wasserfall in einem See münden. Dann gilt es auch einmal ins tiefe Gewässer zu springen.
Doch alles alles beginnt mit einem ersten Schritt. Mit kleinen Schritten. Und diese kleinen Schritte – Tippelschritte vielleicht auch nur – müssen – wollen – gegangen werden.
Ein Satz, den ich las
„Ich nehme 260 Euro die Stunde, und dies aus drei Gründen: Erstens habe ich viel Lebenserfahrung, zweitens bin ich gut ausgebildet, und drittens bekommt mein Klient eine Stunde meines Lebens geschenkt.“
Unternehmerin eines Coaching-Instituts in München aus Rosanski, Martina: Sich selbständig machen in Therapie und Beratung – wie geht das? Carl Auer Verlag
Bei diesem Satz ertappe ich mich dann wieder dabei, wie ich denke „Fahrtzeit = Lebenszeit“. Wie oft war ich stundenlang für den Job unterwegs? Wie viel Lebenszeit habe ich da auf der Straße gelassen? Im Zug kann man das ganze noch als „Me-Time“ genießen, was ich oft genug gemacht habe, aber auf der Autobahn?
Nur noch eine Woche
Plötzlich ist vom Monat nur noch eine Woche übrig und ich habe eine Deadline für eine Abgabe. Es gibt so Dinge, die schiebt man so lange vor sich hin, bis der Druck so hoch ist, dass man kaum zu atmen wagt, weil die Zeit so knapp ist. Verschieberitis ist eine doofe Krankheit, die sich nur schwer ausrotten lässt. Jedenfalls bei mir, Und hartnäckig ist die. Deadlines hin oder her. (Ich drücke mich gerade schon wieder und mir fallen tausend Dinge ein, die gerade wichtiger wären, zum Beispiel der Abwasch im Spülbecken.)
Nur noch eine Weiterbildungswoche und dann ist auch diese Weiterbildung vorbei. Plötzlich sind zwei Jahre rum. Waren wir nicht erst gestern in Fürth in diesem riesigen Saal gesessen und lernten uns kennen? Ich fürchte wir werden nächste Woche ein paar Taschentücherpackungen brauchen. Vorsorglich habe ich schon mal eine BigPack besorgt.
Time goes by so quickly – Leiser Abschiedsschmerz
Systemische Beraterin bin ich aber erst, wenn ich dann meine Hausarbeit geschrieben habe und das Kolloquium gefeiert wurde. Dann gehen wir alle wieder unserer Wege und werden uns vielleicht mal in einer Supervision oder einem Fachtag begegnen.
Wie das Leben so spielt
Beim Abrufen meiner Mails landet auch ein Newsletter eines Instituts in meiner Inbox. Ein Online-Seminar zum Thema Selbständigkeit in Therapie und Beratung. Ach guck. Was möchte mir das Leben jetzt damit wieder sagen? Sie wissen ja,
„Der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will.“
Albert Schweitzer oder Thèophile Gautier einer von den beiden soll’s gesagt haben