25.05.2022 – Kettenreaktion
Die Victoriafälle haben mich doch ganz schön mitgenommen. Sie erinnern sich vielleicht. Unser Klo hatte sich beim letzten Starkregen in die Victoriafälle verwandelt. Jetzt ist unser Keller aber nicht so vollgelaufen, dass alles weggeschwemmt wurde oder wir ausgepumpt werden mussten. Wir konnten die fünf Zentimeter Wasserstand im Heizungsraum mit Tüchern aufsaugen. Hätte ich allerdings die Toilette nicht mit einer Klorolle verstopft, es hätte nicht gut ausgesehen.
Ich kann jetzt jedoch mehr verstehen und mehr nachvollziehen, wie es ist, wenn man hilflos zusehen muss, wie Wasser in rasender Geschwindigkeit Räume füllt. In den Fernsehberichten spürt man die Verzweiflung, was es jedoch mit einem macht, wenn Hab und Gut davon schwimmen, das Wasser steigt und steigt, das bleibt verborgen. Als Fernsehzuschauer sieht man sich das an, schüttelt fassungslos den Kopf, bemitleidet, hofft, dass es einen selbst nicht trifft, spendet vielleicht noch Geld oder Dinge. Aber welche Spuren es in der Seele hinterlässt, das erfährt der Zuschauer an sich nicht.
Inzwischen habe ich eine Mikroahnung davon. Aber wirklich nur eine Mikroahnung. Inzwischen kann ich auch nachvollziehen, wenn Regen keine guten Gefühle mehr auslöst. Aber das nur so nebenbei.
Das Wasser im Keller hat uns nicht nur an dem Tag bzw. Nacht arbeitet beschert, sondern weitere Arbeiten nach sich gezogen.
Hatten wir bisher alle Lagerkartons am Boden stehen und aufeinander und übereinander gestapelt, haben MonAmour und ich uns dazu entschlossen Schwerlastregale anzuschaffen und im Keller bzw. im oberen Stockwerk aufzustellen, damit, falls mal wieder ein wenig Wasser aus der Toilette sprudelt oder mehr Wasser über die Kellertür eindringt, zumindest mehr Zentimeter Luft zwischen Lagerkarton und Wasser ist. Sollte der Keller richtig volllaufen, hat sich auch das Regal erledigt.
MonAmour arbeitet jetzt im Keller an seinem Lagerbestand und ich im ersten Stock an meinem. Nachdem wir ja einen Teil des Haushalts von der verstorbenen Schwiegerschwester bei uns eingelagert haben (ein paar Kartons stehen noch im Wohnraum) und jetzt ein oder zwei Regale das Ordnungssysem erleichtern sollen, ist wiedereinmal weiteres Aus- und Umräumen sowie großes Ausmisten angesagt. Ich bin auch schon mächtig stolz darauf, dass ich es geschafft habe zwei volle Kartons und mehrere Ordner zu entsorgen.
Ich hätte auch noch mehrere Jahrgänge der Zeitschrift Psychologie Heute zu bieten. Die habe ich schon beim letzten Mal verschont. Immer wieder wandert mein Blick ratlos zu der Kiste, weil ich einfach nicht weiß, ob ich sie noch behalten soll, ob sie vielleicht jemand haben möchte oder ich sie doch lieber dem Altpapier zuführe. Was ich auf keinen Fall tun werde ist sie mitumziehen. Dieser Gedanke hilft auch bei vielen anderen Dingen, die mir so in die Hände fallen. Manches braucht diesen Gedanken nicht, da ist gleich klar, kommt jetzt weg. Anderes nehme ich in die Hand und frage dann, würde ich es ersetzen, wenn ich es nicht mehr habe beziehungsweise würde ich es mitnehmen, wenn wir umziehen. Ist die Frage definitiv und klar mit einem Nein zu beantworten, kommt es sofort in die Entsorgung. Manches wird auch auf den Gebrauchtwarenhof wandern.
Ich merke jedoch auch, wie schwer es manchmal doch ist, sich dann definitv von dem Kram zu trennen. Gerade Bücher sind so Dinge. Da wollte ich, die die noch gut aussehen und ich nicht mehr lesen werde, in einen Karton für den Bücherschrank packen (wir haben nur einen hier im Ort und den kann ich ja auch nicht komplett mit nur meinen Büchern füllen) und schon fällt es mir unheimlich schwer zwischen „Kann weg“ und „Bleibt“ zu trennen. Da muss ich auch definitv noch an mir arbeiten.
Was allerdings bisher nicht aufgetaucht ist, ist ein Buch, das ich seit einiger Zeit vermisse. So langsam glaube ich, dass ich es in der Arbeit vergessen habe. Ich werde es wohl doch nachbestellen müssen. Insgeheim hatte ich ja die Hoffnung, dass es noch auftaucht.
Mitten im Aufräumen sind wir dann nochmal los ein weiteres Regal besorgen. Es ist wie bei diesen Kugeln. Schubst man eine an, sind die anderen auch in Bewegung. Kettenreaktion.
Der Abend endete mit schnell noch Butter kaufen und Bratkartoffeln mit Ei.