28.12.2020 – Weihnachtsmelancholie und Autowandern
Wir waren viel Autowandern in den letzten Tagen. Wir haben das vermisst. Beide. Neben schönen Sonnenuntergängen, neblig trüben Wetter sahen wir auch seltenes Buschbeiwerk.
Zwischendrin waren wir auch zu Fuß unterwegs. Einmal sogar am See. Die zweite Hälfte vom Rothsee fehlte uns noch. Wir holten es spontan nach. Es wurde eine Nachtwanderung. Dieser Spaziergang hatte seinen ganz besonderen Reiz. Das war sehr angenehm. Weihnachtlich. Still.
Das Christkind suchen gehen
Nicht nur wir auch andere pflegen diese Tradition an Heilig Abend. Diesmal spazierten wir jedoch nicht erst nach dem Essen, sondern bereits vorher. So kam es, dass uns von einem Balkon ein Kinderstimme mit lautem „Hallo“ begrüßte. Wir waren jedoch nicht gemeint. Schnell war klar, dass da jemand versucht hatte, das Kind vom Weihnachtsbaum wegzulocken. Doch das Kind suchte nicht hinten bei der Haustür, sondern vorn am Balkon. Nun wurde es in die andere Richtung dirigiert. „Ach, stellt Euch vor, ich habe das Christkind gesehen.“
Durch die Fenster konnten wir Familien sehen, die sich um den Esstisch versammelten. Unterhielten. Miteinander lachten. Ab und an stieg uns Bratenduft in die Nase. Irgendwo roch es sogar nach „Blauen Zipfeln“ (Bratwürste in Essigsud). Diesen Duft werde ich nie mehr vergessen. War es doch fast 15 Jahre das Essen an Heilig Abend bei uns Zuhause. Nach der Trennung meiner Eltern, kam es bei meiner Mutter nie mehr auf den Tisch.
Erinnerungen
Die Familien, der Bratenduft, weckte Erinnerungen an längst vergangene Zeiten. An die Sonn- und Festtage, an denen ich zu Mittag die Haustür bei meinen Großeltern aufsperrte, mir Bratenduft entgegen kam. An meine Oma, wie sie in der Kittelschürze am Herd steht. Der Braten im Ofen vor sich hin brut. Sie den Salat bereitete. Die Klöße im Topf tanzten. Während mein Opa vor seinem geliebten Aquarium saß. Mit dem Fernseher im Hintergrund. Die Gespräche in der Küche und am Tisch. An Heilig Abende, an denen wir alle zusammen saßen. Lachten, uns unterhielten, Feuerzangenbowle tranken oder andere geistige Getränke. An die Nachmittage, mit Kuchen, Gebäck und Kaffee. Mit alten Filmen. Vorbei.
Ein kurzer Anflug von Trauer überwältigt mich. Heilig Abend ist auch der Todestag meiner Oma. Mit ihr gingen langsam auch die weihnachtlichen Familienfeste.
Eigene Traditionen
MonAmour und ich schafften uns unsere eigenen Traditionen für diese Tage. So gehen wir, meist nach dem Abendessen und dem gemeinsamen Abwasch, an Heilig Abend das Christkind suchen. Am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag „Weihnachtsbäume zählen“, wenn wir zum Autowandern aufbrechen.
Unser Weg an Heilig Abend führte uns auch über den Friedhof. Als wir am Friedhof sind und ich die teilweise liebevoll weihnachtlich gestalteten Gräber sehe, beschließe ich, dass wir nächstes Jahr auch wieder einen echten Baum haben werden*. Mit Christbaumkugeln und Lichterkette. Und eine Weihnachtsgans. Zumindest einen Braten. Und tanzte Klöße im Topf. Und vielleicht, vielleicht haben wir bis dahin dann auch unser Idyll gefunden.
*Seit zwei Jahren verweigere ich mich der Suche nach dem schönsten Christbaum. Ein kleines künstliches Bäumchen mit Lichtern ziert seither unser Weihnachtsregal.