22.02.2021 – Zufall?
Eine Geschichte in einem der Newsletter, den ich heute erst lese, und die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:
Im Sprechzimmer des Arztes saßen dicht gedrängt Menschen und warteten. Ein älterer Herr stand nach einer Weile auf und ging zur Sprechstundenhilfe.
Aus: Gib deiner Seele Zeit von Anthony de Mello
„Entschuldigung“, sagte er freundlich. „Ich hatte einen Termin um 10:00 Uhr. Jetzt ist es fast 11:00 Uhr. Ich möchte nicht länger warten. Bitte geben Sie mir einen neuen Termin.“
Im Sprechzimmer wurde getuschelt. Eine Frau sagte zu einer anderen: „Der ist doch bestimmt schon 80 – was kann der wohl so Dringendes vorhaben, dass er nicht warten kann?“
Der Mann hörte die Bemerkung und drehte sich um. Er verbeutgte sich vor der Dame und sagte: „Ich bin siebenundachtzig Jahre alt. Und genau deswegen kann ich es mir nicht leisten, auch nur eine Minute der kostbaren Zeit zu vergeuden, die mir noch bleibt.“
Zufall?
Heute Morgen, bevor ich dies las, hatte ich eine Videokonferenz mit meinen Trainerkolleg*innen. Wir sehen uns drei Mal im Jahr. Das letzte Mal war im Oktober. Seitdem war der zweite Lockdown. Es hat gut getan, die Kolleg*innen zu sehen. Virtuell. Wir hatten gute zwei Stunden miteinander. Haben uns überlegt, mit welchen Themen wir uns dieses Jahr in unserem Kreis beschäftigen möchten. Es war ein gutes Treffen. Wie es der Zufall will, sagt eine Kollegin etwas, was mich sofort denken lässt, „ja, das, was ich zukünftig machen möchte, ist richtig“. Jetzt muss ich nur noch den Weg dahin klar bekommen.
Noch ein Zufall?
Die Geschichte. Auch sie zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Denn auch sie hat mit dem zu tun, was seit einiger Zeit in mir arbeitet. Die Frage, die ich mir schon seit längerem Stelle, und mit der ich zum ersten Mal vor zwei Jahren konfrontiert wurde, lautet: „Wie will ich mein restliches Leben verbringen?“ Allerdings wurde die Frage nicht mir gestellt, sondern eine Referentin erzählte von sich, und sagte, „ich stellte mir diese Frage, und wusste: nicht so wie bisher, deshalb…“
Ich gehe davon aus, das jeder sich irgendwann einmal diese Frage stellt. Manchmal stellen wir uns diese Frage auch öfter. Und für jeden von uns, ist dabei etwas anderes wichtig. Bei mir ist es gerade die berufliche Zukunft. Und der aufmerksame Leser mag auch herausgelesen haben, dass es auch um die restliche Zukunft geht und die Frage, wo wollen wir leben, was möchten wir haben, wie soll es aussehen unser restliches Leben.
Doch heute war es mal wieder die berufliche Zukunft, die immer mehr an Klarheit gewinnt. Mir ist nur der Weg noch nicht ganz klar. Also ein Teil des Weges schon, wenn auch mit viel Unsicherheit und Sorge verbunden. Ein großer Teil des Wegs liegt jedoch noch im schattigen Nebel. Aber, und das ist wichtig, es fühlt sich richtig an. Noch ist es ein weiter Weg. Noch ist es nur ein richtig gutes Gefühl. Der Weg dahin wird kein leichter. Er wird steinig, rutschig, steil, mit Umwegen, Schleifen, unwegsam, neblig, dunkel, sonnig, schattig, mit Ruheplätzen, mit Seen. Es wird schmerzhaft werden. Mühsam. Manchmal beschwingt. Das Ziel noch in weiter Ferne.
Denn, und das ist mir sehr klar, ich möchte meine restliche Arbeitslebenszeit nicht in einem Job verbringen, der nur dazu dient meinen Lebensunterhalt zu sichern. Eine Weile mag das in Ordnung sein. Doch wie lange ist eine Weile?
Bisher hatte ich das große Glück, in den Jobs, die ich hatte, einen Teil meiner Berufung zu finden. Damit war der Ruf, den ich nach der Ausbildung hörte leiser geworden, ja fast verstummt. Ab und an hörte ich ihn immer mal wieder. Zwar sehr leise, fast lautlos, doch das leise Stimmchen war da. Jetzt wird es wieder lauter. Lässt sich nicht mehr ignorieren. Ja, es ist, denke ich, an der Zeit, dem Ruf zu folgen. Auch wenn es Veränderung bedeutet. Ist es doch auch eine Weiterentwicklung. Vielleicht auch einfach eine logische Konsequenz aus all den Wegen, die ich vorher gegangen bin. Nur einfach, einfach wird es nicht.
Das Hummelchen
Später dann, als die Sonne wärmer schien, holte ich unseren Übernachtungsgast aus seinem Schutzraum. Ich setzte das Hummelchen auf eine knospende Primel und gab ihr noch mal ein wenig Wasser. Sie sass noch auf dem Taschentuch, welche ich in die Primel legte und mit ein wenig Wasser beträufelte. Wenig später war sie davon geflogen. Ich hoffe sie verbringt die Nacht dann wieder geschützt bei sich zuhause.