27.04.2021 – So schnell wie der Wind
Wie jeden Morgen
6:30 Uhr – das Aggregat brummt. Eine Stunde später sitze ich am Lieblingsplatz, höre BR2 zu. Die Vögel sind noch nicht so weit, sie kommen heute später. Zwischen der KulturWelt und RadioWissen erledige ich den Abwasch. Dann macht irgendwann der Kopfhörer schlapp. Er möchte gerne wieder aufgeladen werden.
Vögelei
Während ich die Montagszeitung und Wochenendzeitung durchblättere und einzelen Artikel lese, entdecke ich eine Elster im Garten. Sie hat einen etwa 30 bis 40 cm langen Zweig im Garten gefunden. Sie befindet ihn für gut und nimmt ihn in den Schnabel. Damit schafft sie es bis auf den Gartenzaun. Dort balanciert sie noch mal aus und nimmt eine Feinjustierung vor. Der Schwerpunkt scheint für sie jetzt in Ordnung zu sein. Ich bin mir da nicht so sicher und bin gespannt, wie es weiter geht. Sie hebt ab. Der Stecken ist eigentlich zu schwer. Sie kämpft hart. Sie schafft es bis zur Dachrinne gegenüber. Von dort auf den Kamin des Nachbarhauses. Vom Kamin in den danebenstehenden Baumwipfel, wo sie ihr Nest bauen. Ich sehe noch, wir sie den Zweig ablegt. Alles weitere bleibt im Grün der Tanne verborgen.
Wasser und Brot
Wasser, Brot und Biowurst sind aus. Ein paar Kleinigkeiten werden demnächst aufgebraucht sein. Herr Mohnblume findet es ziemlich doof, dass wir in einem unserer ausgewählten Geschäfte einen Einkaufswagen nehmen müssen. Ich sehe durchaus, die Kontrolle der Anzahl der Menschen dahinter. Er sieht nur die Virengefahr. Die Nutzung der bereit gestellten Desinfektionssprüher begeistern ihn auch nur wenig. Die fasst ja auch jeder an. Er ist da echt ein wenig Monk.
Kaum schiebt man dann so einen Wagen vor sich her und geht so durch die Reihen, fallen einem ja nicht nur die Kleinigkeiten ein, die ausgehen könnten, sondern auch die Kleinigkeiten, von denen man denkt „Hey, da haben wir letzten was von verbraucht“, auch wenn noch fünf andere davon im Schrank stehen. Nudeln, zum Beispiel, oder Konservendosen, oder so. Wir haben es jetzt nicht übertrieben. Aber Fakt ist, im Wagen landet etwas mehr, als wir beide in zwei Händen hätten tragen können. Natürlich immer unser Budget im Hinterkopf.
Nachdem ich da ja mal so den Hartz IV-Satz recherchiert hatte, fragen wir uns, wie das so mit 150 Euro geht, genauer mit 154,78 Euro, bei Alleinstehenden. Vielleicht starten wir ja mal einen Selbstversuch.
Café Bänkchen
Wir halten noch beim Bäcker. Wir hatten ja noch nichts gefrühstückt. MonAmour sucht uns ein schönes Plätzchen aus. Da sitzen wir dann auf einer Bank in der Sonne, mampfen unsere Nußhörnchen und trinken Wasser. Cafè Bänkchen.
Taverne Abendsonne
Zuhause werden die Einkäufe ausgepackt. Danach setze ich mich noch ein wenig auf die Terrasse, die letzen Sonnenstrahlen genießen. Plötzlich Rufe. Eine Joggerin und ein kleines Kind kommen den Berg runter. Das kleine Kind sitzt auf einem sehr kleinen Fahrrad. „Bremsen! Bremsen!“. Die Rufe werden panischer. Kurz vor der Kreuzung erwischt die Joggerin das Kind. Die Angst ist ihr deutlich anzumerken. Dementsprechend laut, macht sie ihrer Angst Luft. Ich befürchte nur, dass „Bremsen“ und „Ich habe Angst um Dich“ , und die Gefahr, die von der Kreuzung ausgeht, für das Kind völlig irrelevant sind. So im Geschwindigkeitsrausch. Die Angst ist vollkommen verständlich. Die Menschen, die aus der Vorfahrtsstraße kommen, fahren größtenteils ohne zu gucken raus. Ohne zu Bedenken, dass es Verkehrsteilnehmer gibt, die von „Rechts vor Links“ oder den anderen rudimentären Verkehrsregeln, noch keine Ahnung haben. Für die „ich kann allein so schnell wie der Wind den Berg runterfahren“ wichtiger ist, als ein Auto, welches plötzlich aus der Straße schießt.
Ein Schutzengel steht an der Kreuzung
Uns wundert immer wieder, dass an der Kreuzung noch nichts passiert ist. Ich schätze da steht ein Schutzengel, der nur für diese Kreuzung zuständig ist.
Es fahren nicht nur Kinder, so schnell wie der Wind, den Berg runter auch Erwachsene. Eben erst wieder drei erwachsene Radfahrer. Der Hinterste ruft noch, da ist eine Rechts vor Links. Das interressiert hier nur keinen. Langsamer werden, gar bremsen. Fehlanzeige. Auch der „Rufer“ vermindert seine Geschwindigkeit nicht. Erhöhtes Risiko. An der Kreuzung stehen die Container mit dem Aggregat, welches, genau, frühmorgens um 6:30 Uhr seinen Dienst mit dumpfen Brummen beginnt.
So schnell wie der Wind
Auch ich habe schon in der Straße, vor 45 Jahren, gespielt. Klar 1975 waren weniger Autos unterwegs. Gegenüber von uns, war mit dem Haus der Nachbarn Schluss. Dann kam nur noch Wiese und Acker. Wir sausten auch den Berg runter, mit dem Fahrrad oder auf Rollschuhen, irgendwann sogar mit Skateboard. Der kleine Bruder mit seinem „Schepperauto“ (Bobbycar). Solange ich denken kann, sausten Kinder diesen Berg runter. „So schnell wie der Wind“. Als Kinder hat uns nur der Geschwindigkeitsrausch interressiert und wer am schnellsten den Berg runtersausen kann. Wer sich traut von ganz oben bis ganz unten. Nicht immer waren wir uns der Gefahren bewusst. Ok. Meistens, waren wir uns der Gefahren nicht bewusst. Ich persönlich habe aber das Gefühl, dass die meisten Menschen, die den Berg rauf und runter fuhren, mehr Rücksicht nahmen und sich der spielenden Kinder in den Straßen bewusst waren. Und damals war das hier keine 30-Zone. Die einzigen, die hier glaube ich 30 km/h fahren, sind die Fahrschulen. Wunderte mich letztens, warum das Auto so langsam fährt. Es war eine Fahrschule. Ein Zweite kam dann eine Stunde später hinterher, ebenfalls im Schneckentempo. Während alle anderen, ab unserem Grundstück Gas geben. Scheinbar haben sie bedenken, sie schaffen es sonst den Berg nicht hoch. Runter sind die meisten auch schneller, da haben die dann Schwung von oben.
Bisher ist nichts passiert. Hoffen wir, dass es so bleibt und der Schutzengel weiterhin an der Kreuzung steht.