15.11.2021 – Tote brauchen keine Schuhe
Jetzt ist es genau ein Monat her. Inzwischen wurde die Verstorbene beigesetzt. Wir haben aufgeräumt und geputzt. Manches auch entsorgt, manches in die Kleidersammlung gegeben. Uns mit Ordnern, Versicherungen und Werbepost beschäftigt. Menschen informiert. Ich habe unsere Erlebnisse der letzten Wochen einmal zusammengefasst.
Betretungsverbot
Die Verstorbene hatte ja noch einen Brandschaden zu regeln. Den regeln jetzt wir. Als wir bei der Versicherung anriefen, fragte uns der Versicherungsmann, ob ein Betretungsverbot besteht. Wie gut, dass das Haus einer Erbengemeinschaft gehört und einem der Besitzer das Haus zu einem Drittel gehört. So konnten wir diese Frage verneinen. Man könnte jetzt natürlich darüber diskutieren, welches Drittel dem Schwieger gehört und welches Drittel wir betreten dürfen. Erdgeschoss? Zweiter Stock oder Dach? Vielleicht auch nur in jedem Stockwerk nur ein Drittel der Fläche?
Notfallmappe
Es gibt auch noch offene Rechnungen zu begleichen. Deshalb haben wir uns mit dem Gläubiger in Verbindung gesetzt. Im Gesprächsverlauf erfuhren wir, dass die Unternehmerin mit einer Notfallmappe vorgesorgt hat. Heißt, wenn ihr und ihrem Mann etwas passieren sollte, ziehen die Kinder die Notfallmappe aus dem Schrank und wissen genau, was zu regeln und zu tun ist. Sowas vermissen wir gerade sehr. Ich persönlich habe jetzt für mich schon einen Zettel geschrieben auf dem steht „Notfallmappe“ erstellen. Darin wird dann das Testament, der digitale Nachlass (Zugriff auf die digitalen Konten) sowie einige andere Papiere enthalten sein, z. B. auch die Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. An was man alles so denken muss. Doch wenn man, so wie wir, erstmal da steht und sowas nicht vorhanden ist, und sich durch sämtlich Papiere des Hauses durchwühlen muss, dann weiß man solche Dinge sehr zu schätzen. MonAmour mag sich ja persönlich nicht damit auseinandersetzen, ich dagegen möchte das gerne geregelt haben. Damit möchte ich ehrlich gesagt auch vermeiden, dass am Ende meine Eltern, die ja geschieden sind, dann anfangen über Erbsachen, oder schlimmer noch, über die Intensivbetreuung und ob da die Geräte abgeschaltet werden oder nicht, diskutieren. MonAmour muss da ja von mir noch ganz besonders abgesichert werden. Fehlt uns ja der Trauschein, der ihn zum Erbe machen würde. Deshalb: Bitte regeln sie ihren Nachlass rechtzeitig, auch den digitalen. Machen Sie es denen, die ihren Nachlass mal regeln sollen, so einfach wie möglich. Ja, mit dem eigenen Nachlass möchte man sich wenig beschäftigen, macht es einem doch die eigene Endlichkeit so bewusst. Ich habe jedoch jetzt gelernt, dass es gut ist, wenn manche Dinge einfach klar sind.
Im Garten der Vielfalt
In den vielen Ordnern mit ungewöhnlichem Ordnungssystem fanden wir irgendwo auch eine Broschüre für eine Friedwaldwanderung in der fränkischen Schweiz. Beim Bestatter fragten wir dann gezielt nach einem Baumgrab. Der Termin zum Aussuchen fand dann ein paar Tage später statt. Am Friedhof durften wir uns dann in ein Friedhofstaxi setzen. Der Friedhofsmitarbeiter fuhr uns zuerst zu einer Stelle mit vielen Bäumen, die uns nicht so gut gefiel. Dann jedoch fuhr er uns zum Garten der Vielfalt. Ein sehr hübscher Platz, der zum Verweilen einlädt. Dort suchten wir einen hübschen Platz aus, in der Hoffnung, dass es ihr dort gefallen hätte. Am Tag der Urnenbeisetzung liefen dann drei einsame Menschen hinter einem Friedhofsmitarbeiter her. MonAmour trug die Urne mit der Asche der Verstorbenen. So begleiteten wir sie zu ihrer letzten Adresse.
Tote brauchen keine Schuhe
Wenige Tage zuvor waren wir beim Bestatter, um die Beerdigung bzw. Urnenbeisetzung zu besprechen. Als die Verstorbene vom Bestatter abgeholt wurde, baten sie uns Kleidung mitzubringen. MonAmour und ich standen eine ganze Weile vor dem Kleiderschrank. Wir einigten uns auf ein Ensemble, von dem wir wussten, dass sie es auch so zu Lebzeiten getragen hatte. Wir packten alle Kleider ein. Am nächsten Tag fiel mir ein, dass wir die Schuhe vergessen hatten. Wir stellten uns auch die Frage, ob Tote Schuhe tragen. Niemand hatte uns dazu etwas gesagt. Daher beschlossen wir nach meinem Zahnarzttermin noch die Schuhe zu holen. Als wir beim Bestatter dann die Kleidung abgaben, sagte er, Schuhe brauchen sie keine. Tote tragen keine Schuhe.
Die Zeit vergeht
Inzwischen sind ein paar Wochen vergangen, die wir jeden Tag im Haus verbrachten. Jetzt ist alles wieder ordentlich und sauber. Die Ordner alle gesichtet und neu sortiert. Jeder hat da ja so sein eigenes System. Wir haben uns vom Dachboden bis in den Keller gearbeitet. Die Vorratskammer gesichtet und die Lebensmittel gerettet. Einen Teil der Wäsche, der nicht im Kleiderschrank war, gewaschen, gebügelt und sortiert. Die guten Sachen werden dem Kleiderladen zum Wiederverkauf gespendet. Alles andere bleibt erstmal da, wo es ist, bis jemand vom Gericht da war.
Ein Formular
Der Bestatter meldet ja dem Standesamt den Tod der Verstorbenen. Wussten wir jetzt auch nicht. Jedenfalls meldeten wir den Tod denn auch dem Amtsgericht. Dieses versendet dann eine Fragebogen zu den Verhältnissen der Verstorbenen. Familienstand, Verwandtschaftsverhältnisse, all das fragen sie ab. Ich lernte, dass es für die Hinterbliebenen auch wichtig ist, dass diese Informationen zur Verfügung stehen. Wie zum Beispiel Daten zu den Eltern, Geschwistern, Geschiedenen mit Datumsangaben. Wann geboren, getraut, verstorben, wo wohnhaft. Wir füllten alles aus. Manches erschloss sich uns nicht auf anhieb manches war einfach.
Bankgeheimnis
Wir lernten auch, wie wichtig eine Bankvollmacht ist. Ohne Vollmacht, werden zwar die Bestattungskosten vom Konto des Verstorbenen erstattet, offene Rechnungen, wie zum Beispiel von Handwerkern, nicht. Das geht nur, wenn man eine Vollmacht besitzt. Die Vorsorgevollmacht regelt zwar auch dies, es kann aber sein, dass Banken gerne eine eigene Bankvollmacht haben wollen.
Papierkram
Wir stellten fest, dass die Versorbene ziemlich konsum aktiv war. Es führt dazu, dass ich mir eine Liste machte, wen ich alles benachrichtigen muss, damit die Daten samt Kundenkonten gelöscht werden. Wir stellten fest, dass es am einfachsten ist, Newsletter abzubestellen. Nur leider hatte die Verstorbene nichts für die digitale Welt übrig. So saß ich dann einen Nachmittag da und schrieb jede Firma über die Kontaktformulare oder Mailadresse auf deren Website an. Todesfälle sind im Übrigen nicht in den Betreffzeilen zu finden, die diese Kontaktformulare bereithalten. MonAmour besah sich manche Betreffzeile aus der ich dann wählen konnte: Frage zur Bestellung, Frage zu meinem Kundenkonto, Adressänderung, Sonstiges. MonAmour: „Adressänderung, scheint passend.“
Manche wollten zur Löschung eine Sterbeurkunde haben. Das fand ich dann mal ziemlich korrekt. Manche Kundenbeziehung unterschätzte ich. Und so hatte ich dann noch einen schönen, wenn auch aus traurigem Anlass, Mailkontakt zur Kosmetikerin der Verstorbenen.
Ein anderer Anbieter schrieb denn prompt zurück, die Kundin wäre keine Kundin gewesen. Vermutlich sei es ein Drittanbieter, ich solle mich doch dorthin wenden. Der Drittanbieter würde in der kleinen Adresszeile über der Adresse der Kunden stehen. Auf Ideen kommen die Leute. Wer bitte liest denn bei einem Katalog einer Firma die Adresszeile? Wie bitte schön soll man denn wissen, dass es sich dann auch noch um einen eventuellen Drittanbieter handelt? Echt jetzt. Da der Katalog bereits im Altpapier gelandet und dieses (zum Glück, die Papiertonne war übervoll) abgeholt war, konnte der Drittanbieter nicht mehr ausfindig gemacht werden. Kommt halt irgendwann wieder ein Katalog.
Betreuung
Da die Verstorbene auch die Betreuung ihrer Schwester inne hatte, müssen wir auch dieses noch klären. Inzwischen hat MonAmour auch schon gute und weniger gute Erfahrungen mit Krankenkassenmitarbeitern gemacht, als es um Informationen ging, die die Betreuung betrafen. MonAmour kam gar nicht soweit sein Anliegen zu erzählen. Die Dame am anderen Ende war bereits um 8:30 Uhr so auf 180, dass MonAmour nur noch sagte: „Wir beenden jetzt das Gespräch, nachdem Sie mich gar nicht anhören möchten“. Der Schwieger übernahm dann, und hatte das genaue Gegenteil am Hörer: freundlich, nett, höflich, zuvorkommend. Immerhin den ersten Teil haben wir gelöst. Wer und ob wir die Betreuung übernehmen – diese Entscheidung haben wir noch nicht gefällt. Demnächst wird dazu wohl ein Beratungsgespräch beim Amt anstehen.