18.02.2022 – Besuchstag, der Zweite
Gerührt – Berührt
Ich fühle mich sehr geehrt und gerührt. Nicht geschüttelt.
Nicht nur, dass Herr Fischer aus einem Beitrag von mir zitierte, auch Frau Nessy tut dies in ihrem Kaffeehaus. Es fühlt sich gerade ein wenig an wie in der Hall of Fame.
Fast wie Marathonlaufen
Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Anruf. Ich werde vermisst. Die kleine Schwiegerschwester vermisst mich. Ich hatte doch versprochen im Februar wieder zu kommen. Außerdem bräuchte sie wieder ein paar Sachen, sagte der Schwieger.
Darauf folgte meinerseits ein Anruf im Seniorenzentrum. Denn ich muss meinen Besuch ja ankündigen und einen Termin dafür festlegen. Für Freitag gab es dann nur noch einen Timeslot. Den nahm ich. Dann telefonierte ich noch mit der Stationsschwester und der Schwiegerschwester. Sie hat mich vermisst – ich muss definitiv vorsichtiger mit vagen Aussagen sein – und mir einen Auftrag erteilt. Heute also Besuchstag.
Es war ein wenig anstrengend. Bedingt durch die geistige Behinderung können Gespräche plötzliche Wendungen annehmen und auch schwierige Ansichten zum Ausdruck kommen, die, nun ja, ein Hinterfragen notwendig machen, gleichzeitig mit einer eigenen Position, jedoch nicht mit dem Ton, „das ist alles Quatsch und Käse“, sondern mit „aber wäre es nicht besser, wenn…“; „Es ist aber doch ganz gut, dass…“.
Nach einer Stunde war ich echt durch. Ich fühlte mich, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Als der Wecker, sagte es ist 16 Uhr, war ich durchaus froh, sagen zu können „Oh, schon so spät.“ Nicht nett, aber es wurde echt anstrengend. Immerhin durfte ich heute mal in den Kleiderschrank gucken, um nach den Kleidergrößen zu sehen. Darauf achtend nichts durcheinander zu bringen. Sehbehinderte Menschen haben ihre eigenen Ordnung, die sie im Kopf haben und die nicht durcheinander gebracht werden sollte. In ihrem Beisein habe ich mir auch angewohnt handlungsbegleitend zu sprechen, damit sie weiß, was ich tue oder vorhabe.
Beim Abschied äußerte sie noch ein paar Wünsche. Darunter ein paar Bücher zum Vorlesen. Bei den nächsten Besuchen werde ich meine Strategie ändern. Ein wenig Small Talk, ein wenig vorlesen. Und wenn das Wetter mitspielt spazierenrollenschieben. Irgendwie so. Durch den Vermisstenruf auch gelernt, gleich einen festen Termin zu nennen, an dem ich wieder komme. Wieder verließ ich den Ort mit mehreren Aufträgen im Gepäck.
Besuchsdienst
Auf der Rückfahrt überlegten wir, ob wir nicht einen Besuchsdienst starten für Menschen in Seniorenheimen. Vorleser, Gesellschafter, mit den Betreuten flanieren, Kaffee trinken, Essen gehen. Mit Kommunikationsschulung. Das wäre auch noch Ausbaufähig.
Fundstücke
Ach, hätte mir doch nur mal jemand meinen Zyklus so erklärt, wie diese Frau in dieser Sendung: Weiblicher Zyklus und Leidensfähigkeit. In der zweiten Hälfte der Sendung geht es darum, dass Frauen anders leiden und andere Symptome haben als Männer.