15.03.2022 – Ding, ding
Ich bin ein Frühaufsteher. Irgendwie. Es gibt auch Ausnahmen. Irgendwie. Ein wenig Schreibtischarbeit. Nur ein wenig, wir hatten ja zeitig einen Termin. Mit der gesetzlichen Betreuerin vor Ort. Warum sie eigentlich vor Ort kommen wollte, ist uns so im Nachhinein nicht so richtig klar.
Während dem Termin stellte sich heraus, dass sie nur Unterlagen braucht. Eigentlich hatten wir sie gebeten uns zu sagen, welche Unterlagen. Das hatte sie jedoch vergessen. So hatten wir dann nur einen Teil dabei, den sie mitnahm und verschwand. Das Gespräch mit ihr hat vielleicht 15 Minuten gedauert. Danach unterhielten sich MonAmour und der Schwieger noch, während ich durch die Räume wanderte. Es gibt so Themen, da muss ich nicht dabei sein.
Danach packten MonAmour und ich noch die Erdsäcke und Rindenmulchsäcke ein, die wir im Oktober letzten Jahres in und um Garten wie Haus verteilt fanden. Wir hatten sie derweil auf der Terrasse deponiert.
Danach standen wir etwas ratlos in der Küche. Denn jetzt wird es ernst. Jetzt ist es so endültig. Das Haus wird verkauft. Sie wissen schon, die Erbschaftssteuer. Nach einer Weile der Ratlosigkeit wanderten wir durchs Haus, überlegten, welche Möbel wir behalten. Welche Möbel wir abgeben. Ob die neuen Käufer was übernehmen möchten. Von einem Schrank wissen wir das definitiv. Ich weiß er käme dort in gute Hände. Danach sahen wir uns noch im Garten um. Ein wenig Zierrat würden wir auch noch mitnehmen. Nicht alles, nur ein wenig.
Danach fuhren wir zu einem der Sozialkaufhäuser. Uns umgucken. Ich betrat zum ersten Mal in meinem Leben einen Gebrauchtwarenhof. Mein Vater hatte bereits erzählt, dass er einen Teil seiner Möbel in einem Sozialkaufhaus gekauft hatte. Wir schlenderten durch die Reihen. Bestaunten Möbel. Blieben an Geschirr hängen. Ich war überwältigt von den vielen Gesellschaftsspielen, den CD’s, DVD’s und Büchern. MonAmour hatte gefragt, was wir mit all den Büchern machen, die da im Schrank schlummern. Ich hatte die verschiedenen Möglichkeiten durchgespielt. Jetzt wird der größte Teil in eines der Sozialkaufhäuser wandern. Die Kleidung werden wir vermutlich bei der Ukraine-Hilfe abgeben. Sowie alles anderen, was dort abgegeben werden kann und noch in Schränken schlummert.
Überhaupt, wenn wir uns die Erbschaftssteuer leisten könnten, würden wir vermutlich das Haus an Menschen in Not vermieten (Nebenkosten), voll möbliert, samt Inhalt. Neben der Erbschaftssteuer ist aber auch noch die Küche zu machen. Die Küche ist ja noch immer rußgeschwärzt. Der Herd noch nicht gesäubert, die Küchenschränke nach fünfzig Jahren ins Alter gekommen. Auf der Seite des Fettbrands fehlen die Hängeschränke und der Dunstabzug komplett. Die Arbeitsplatte muss auch ersetzt werden. Das sind zwei Punkte, Küche und Erbschaftssteuer, die es uns, also dem Schwieger, unmöglich machen, das Haus zu behalten. So bekommt es jetzt ein junges Paar in Familiengründung. Die, soweit wir wissen, erst einmal einziehen werden ohne viel zu verändern. Und vielleicht auch einen Teil der Möbel, die wir nicht mitnehmen möchten, übernehmen.
Im Keller stand MonAmour vor den Schränken seiner Jugend. „Die“, so sagte er „kommen auch mit.“ Mir geht erst heute auf, jetzt wo ich es schreibe und nochmal reflektiere, dass für ihn diese Schränke wichtig sind. Egal wie hübschhässlich sie sind. Wir werden Abschied nehmen müssen. Für ihn wieder ein Teil seiner Kindheit und Jugend, der zwar von außen bleibt, aber dann weg ist. Das Haus ist länger in Familienbesitz gewesen als MonAmour alt ist. Ich bin gespannt, wie es mir mal mit meinem Elternhaus gehen wird. Es war nie so richtig „mein“ Haus, auch wenn es mir, naja der Bank, gehört. Es ist ein Überbleibsel. Aber das ist eine längere Geschichte.