Aschebersch – bayrisches Nizza
06.08.2020 – Zusammenkunft am Donnerstag
In der Besprechung heute oft das Wort gefallen, „wenn ich da mal reingrätschen darf.“ „Entschuldige bitte, wenn ich da jetzt so reingrätsche.“ Scheint, die Menschen haben den Drang sich zu bewegen. Vielleicht hätten wir mal in den Hof gehen sollen.
Urlaubsfeeling im bayrischen Nizza
Aschaffenburg zeigte sich mal wieder von seiner schönsten Sommersonnenseite.
Die Autofahrt auf der Autobahn war anstrengend. Zum Glück kein Stau, aber ich merkte, dass viele Menschen vermehrt Urlaub in Deutschland machen. Unterwegs überholt mich das ME-ER (Autokennzeichen).
Ich kam etwas ko im Hotel an. Hatte aber Glück mit dem Parkplatz. In der Nähe vom Hotel war noch ein schattiges Plätzchen frei.
Zimmer beziehen. Die Fernbedienung vom Fernseher ist in einer Plastikhülle eingeschweißt. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, das sämtlich Prospekte und sonstigen Unterlagen aus Hygienegründen nicht wie üblich zur Verfügung stehen. An der Rezeption wurde ich nach meinem Frühstückswunsch gefragt und ob ich irgendetwas brauchen würde, wie Duschgel oder Seife. Weder möchte ich Frühstücken noch brauche in Reinigungsmaterialien. Beim Betreten und bewegen im Hotel ganz klar, Maskenpflicht. Gleich beim Eingang werde ich durch ein Schild höflich aufgeforder mir die Hände zu desinfizieren. Der Aufenthalt im Hotel insgesamt war angenehm.
Im Zimmer stellte ich meine Sachen ab, machte mich ein wenig frisch und zog los in den Schlosspark.
Herumsträunen
Nach der vielen Sitzerei hatte ich das Bedürfnis nach Bewegung. Mit Foto bewaffnet sträunte ich ein wenig herum. Zwischen Schlosspark und dem Schöntal Park kurzer Zwischenstop am Auto. Auf Reisen versuche ich immer einen Kasten Wasser dabei zu haben. Es gibt nichts schlimmeres als unterwegs zu sein und nichts zu Trinken dabei zu haben. Froh darüber, dass ich den Wasserkasten noch vor Antritt der Reise besorgt hatte, konnte ich also erstmal meine Durst löschen, um dann weiter gen Fußgängerzone und dem Park zu ziehen.
„Den Titel des Buchs weiß ich nicht mehr, aber…“
Einer der Kleiderläden auf meinem Weg zum Schöntal Park hat auch die Fußgängerzone klimatisiert. Kühlschranktemperatur. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie kalt es in dem Laden gewesen sein muss. Am Rande des Parks befindet sich das Einkaufszentrum. Ich gehe hinein, um im Drogeriemarkt Desinfektionsmittel zu kaufen und um ein wenig im Buchladen zu stöbern. Der Laden ist angenhem leer. Mit mir und den Mitarbeitern noch zwei Familien. Der Vater fragt seine Tochter: „Wann hast Du eigentlich das letzte Mal ein Buch gelesen?“ Die Antwort erinner ich nicht mehr, aber es war eine lange Zeit. Bei einem Mitarbeiter steht eine Frau, ihr Mann schaut sich derweil die Büchertische an. Sie: „Ich weiß leider weder den Titel noch die Autorin.“ Immerhin das Geschlecht konnte schon mal eingeschränkt werden. Die Stimme des Mannes aus dem Hintergrund: „Wenn Sie nach XYZ und nach ABC suchen, dann finden man den Titel ganz schnell.“ Der Mitarbeiter wie aus der Pistole geschossen: „Ach, Sie meinen….!“ Ich musste grinsen und war gleichzeitig beeindruckt über den Mitarbeiter, ob seines Wissens. Grinsen musste ich deshalb, weil ich in der Fußgängerzone an einem anderen Buchladen vorbeigekommen war, dessen Schaufenster in verschiedenen Farben dekoriert war. Jedes Schaufenster in einer eigenen Farbe. In jedem Schaufenster hing ein Schild mit der Aufschrift: „Den Titel weiß ich nicht mehr, aber das Buch war gelb/grün/blau/rot.“
Ich selbst war in Urlaubsstimmung und kaufte neben der Zeitschrift auch noch ein Buch. Danach verspürte ich erstens Hunger, zweitens den Drang nach frischer Luft. Wie immer in letzter Zeit, wenn ich das Gefühl habe mich zu lange in geschlossenen Räumen aufgehalten zu haben. Hätte mir das jemand mal im Februar erzählt, dass ich mich mal in einer Buchhandlung nach frischer Luft sehne, ich hätte an die Stirn getippt und ihm erklärt, er sei verrückt. In Buchhandlungen und Bibliotheken konnte ich mich früher stundenlang aufhalten.
Essen. Draußen. Kurios.
Meinem Urlaubsfeeling folgend, zog es mich zum Griechen. Draußen sitzen, Souflaki essen, Wasser trinken, den Gedanken nachhängen. Es wird vorerst der letzte Besuch in diesem Lokal sein. Masken machen eben nur dann Sinn, wenn man alle relevanten Gesichtsteile bedeckt. Kurioserweise hörte ich am nächsten Tag, dass Maskenpflicht, Kontaktdatenabgabe (war hier auch Fehlanzeige), Abstandsregelung (hier zum Glück eingehalten), recht locker in manchen Lokalen gehandhabt wird. Zukünftig werde ich versuchen mehr auf die Handhabung der Masken zu achten.
Sonnenuntergang über dem Main. Langsam zurück zum Hotel.
Nach dem Essen hatte ich noch keine Lust zurück ins Hotel zu gehen. Daher ging über den Schlossplatz Richtung Main. Und durfte einen wunderbaren Sonnenuntergang erleben. Ein Fotograf sagte einmal: „Wenn alle Leute in eine Richtung schauen, dann dreh dich um. Schau dir an was dahinter passiert.“ Das tat ich und ich bin mir sicher, dass kaum einer das Farbenspiel hinter sich wahrnahm.
07.08.2020 Freitag – Morgenluft
Die Nacht wie immer in Hotels. Kurze Schlaf-Wachphasen im Wechsel. Trotzdem musste ich mal längere Zeit am Stück geschlafen haben. Etwas müde um kurz vor sechs aufgewacht. Kurz den Impuls gehabt die Decke wieder über den Kopf zu ziehen und weiterhin den Urlaubsmodus nachzugeben. Aber nein, ich war doch zum Arbeiten da. Also den Termin vorbereitet. Gegen sieben dann aus dem Bett gekrabbelt, anziehen, waschen, packen, Rechnung zahlen. Das Gepäck im Auto verstaut. Die Kamera gerüstet und ab in den Schlosspark. Fast die gleiche Runde wie am Abend zuvor gedreht. Die Morgenluft und die Leere des Parks genossen. Außer mir, zwei Hundebesitzer und drei Stadtmitarbeiter, die sich um die Pflanzen und den Müll kümmern. An dieser Stelle, an alle Mitarbeiter der Stadt Aschaffenburg ein herzliches Dankeschön. Für’s Müll einsammeln. Für’s sauber machen der Stadt. Vielen Dank.
Betriebsamkeit
Nachdem ich den Park über die Seite an der Stadtbibliothek entlang verlassen habe, überquere ich den Schlossplatz. Mich treibt es in die Fußgängerzone, die um kurz vor 9 Uhr schon ziemlich belebt ist. In einem der Läden wird gerade renoviert. Davor und innen ein paar Handwerker. Ich schlängel mich zwischen Passanten, die den Handwerken zuschauen und den Handwerkern, die draußen stehen, durch. Einer der Handwerker, der Abseits steht, um zu rauchen: „Wenn noch ein paar mehr stehen bleiben, könnten wir Geld sammeln.“ Ich muss unwillkürlich grinsen. Und erinner mich an das Schild, dass Bauarbeiter in Dresden an den Zaun der Baustelle gehängt hatten:
Ich hätte ihnen ja einen Tipp geben können.
Frage 1: Was fasziniert uns Menschen eigentlich so an Baustellen?
Bereits als Kleinkinder stehen wir, sofern wir schon stehen können, fasziniert vor Baustellen und schauen den verschiedenen Gewerken bei ihrer Arbeit zu.
Vielleicht ist ja genau dieses, dieses Kind in uns, welches fasziniert davon ist, wie etwas entsteht, sich sichtbar entwickelt. Und darüber staunt, dass Menschen Neues erschaffen.
Milchkaffee
Ich bin durch die Herstallstraße über die Steingasse und die Nebensteingasse wieder zurück zum Schlossplatz. Eigentlich war ich auf der Suche nach einem hübschen Cafè. Es hätte auch viele Möglichkeiten gegeben, doch irgendwie sprach mich keines spontan an. Zudem war mir zuviel Treiben in den Gassen, was daran lag, dass die Geschäfte langsam ihren Betrieb aufnahmen und durch den Lieferverkehr und die Anreise, viel Betrieb war. Ich wollte es etwas gemütlicher haben. Meine Wahl fiel auf das Cafè am Markt. Die Tische schön weit auseinander, kaum Menschen, die Kirchturmuhr im Blick. Ich fragte nach einem Platz, bekam einen Tisch zugewiesen und bestellte mir einen Milchkaffee.
Ich verbringe fast eine Stunde im Cafè, bis es Zeit ist, zu meinem Termin aufzubrechen. Ich nehme das Urlaubsfeeling mit. Ich hoffe es hält noch ein wenig an.
Heimreise
Der Termin verläuft gut. Es ist ein Abschied auf Zeit. Ich habe die Kinderinsel jetzt fast fünf Jahre begleitet. Ich lege eine Timeline mit unseren Terminen. Wir stellen fest, dass wir uns doch öfter gesehen haben, als wir dachten. Ein Jahr war dabei, da war es fast monatlich. Während der gemeinsamen Reflektion stelle ich zum wiederholten Male fest, dass es gut ist, dass wir jetzt einen Cut machen. Auch die neu Ausrichtung und Neukonzipierung meines Jobs erschließt sich mir wieder mehr und wird für mich immer sinnvoller. Gleichzeitig spüre ich wieder diese Lust an meiner Arbeit. Das ist ein gutes Gefühl.
Beschwingt mache ich mich auf den Weg zum Auto. Spontan beschließe ich über Land nach Hause zu fahren. Ich habe keine Lust auf Autobahn. Die Verkehrsmeldungen, die ich kurz nach der Abfahrt im Radio höre, bestätigen meinen Beschluss. Ich fahre nach Gefühl. Nur drei Mal muss ich meine Richtung per Landkarte korrigieren. Die Heimreise dauert zwar länger, aber zweitweise bin ich allein auf der Landstraße. Es ist insgesamt weniger Verkehr. Auf der Autobahn scheinbar nicht. Selbst Baustellen sind auf meinem Weg Mangelware. Unterwegs wieder mal der eine oder andere Ort, von dem ich mir denke, da müsste man mal mehr Zeit verbringen. Gezielt hinfahren. Sightseeing machen.
Glücklich – Urlaubsfeeling – und etwas müde komme ich zuhause an.