Möchten Sie mit mir arbeiten?
Der Titel ist geklaut. Christian Fischer stellte am 02.07.2020 diese Frage in seinem Blog und ich möchte laut „Ja“ rufen. Aber ich bin ja keine Lehrerin oder Schuldirektorin. Nur eine kleine Blogschreiberin. Eine, die gerade gerne ihren Job hinschmeißen möchte. Eine, die gerne mehr von Websiteentwicklung verstehen würde. Eine, die sich zurzeit ganz gut vorstellen kann, von zuhause und per Videokonferenz zu arbeiten über digitale Boards und Chats.
Eine, die mal Interessehalber angefangen hatte sich ernsthaft mit CSS und HTML auseinanderzusetzen. Eine, die da auch mal einen Webentwicklerkurs machte, diesen jedoch abbrach. Ja, ich habe das mal ganz ernsthaft gewollt. Doch ich hätte dann einen guten Erklärer gebraucht. Dann wäre ich vielleicht jetzt in der Lage meinen Job an den Nagel zu hängen.
Mit der Frage, die Christian Fischer stellte, geht es aber nicht darum, einer kleinen Blogschreiberin einen Sonderkurs zu geben, sondern mit Lehrer*innen, Schuldirektoren Konzepte zu entwickeln, Fragen zu stellen und auf den Weg der Digitalisierung zu begleiten.
Es gibt so Tage, da triggern mich Worte und Sätze an. Dieser Satz „Möchten Sie mit mir arbeiten?“ hat mich angetriggert. Denn ich hatte gestern eine Videokonferenz und ich ärgere mich. Ich ärgere mich so über diese Menschen, dass ich kurz davor bin, gegen alle Unvernunft, meinen Job hinzuschmeißen. Während eines leider sehr langweiligen Vortrags schrieb ich an MonAmour per Mail: „Unsere Zunft wird jetzt zu McDonalds. Träum doch mal die Lottozahlen – Bitte – Dringend!“
Im weiteren Verlauf wurde ich dann immer ärgerlicher, vor allem als dann so getan wurde als gäbe es Corona nicht mehr und wir in der Normalität agekommen wären (was auch immer das ist). Ich hatte plötzlich enormen Gesprächsbedarf. Ich war nicht die Einzigste. In der Mittagspause und nach der Videokonferenz wurde heftigst diskutiert.
In der zweiten Hälfte der Videokonferenz musste ich dann auch noch, gedanklich und mit Sarkasmus, jemanden zur „Mitarbeiterin des Monats“ küren. Und gleichzeitig dachte ich, am Anfang meines heutigen Berufs, war auch ich so begeistert und enthusiastisch. Es war das erste Mal in meinem ganzen Berufsleben, dass ich, als ich erfuhr, dass es diese Stellen geben wird, initiativ tätig wurde und mögliche potentielle Arbeitgeber anmailte, anrief, um zu fragen, ob sie Stellen schaffen und ich ihnen meine Bewerbung senden dürfe. – „Möchten Sie mit mir arbeiten?“
Doch die Jahre, die ich seitdem in diesem Beruf verbracht habe und deren Begleitumstände, haben mich mürbe gemacht. Sarkastisch. Müde. Wütend – nein, wütend nicht – das wäre gut, sogar sehr gut. Das hätte Energie. Es reicht nur noch für ärgerlich und Fassungslosigkeit. Würde mich heute jemand fragen: „Möchten Sie mit mir arbeiten?“ Würde ich sagen, „nicht unter diesen Umständen.Das ist zweifellos ein toller Job. Aber unter diesen Umständen. Sorry.“ Ich habe das schon einmal getan. Letztes Jahr. Damals dachte ich: „Oh, sch…., was für eine Fehlentscheidung!“ Ich hatte ein Jobangebot, doch die Begleitumstände, sie passten nicht. Nach genaurem hinsehen würde ich auch heute wieder so entscheiden. Das war mir klar und dem potentiellen Arbeitgeber auch.
Das fatale ist eigentlich, dass ich meinen Job liebe. Ja, es ist mehr als ein Job. Es ist eine Berufung. Dieser Job wurde für uns erfunden. Ich mache diesen Job wirklich gerne. Sehr gerne. Er verbindet Praxis und Fachwissen. Und ich lerne, lerne immer wieder dazu. Er ist herausfordernd. Immer wieder aufs Neue. Die Menschen, die Kinder, die magischen Momente, der Humor und Spaß. Manchmal ist er auch einfach nur anstrengend. Und trotzdem immer wieder begeisternd. Haben Sie’s gemerkt? Ich kann mich immer noch begeistern. Trotz der widrigen Umstände, die jetzt auf uns zukommen werden. Den wir sollen standardisiert werden. Standards sind gut, Standards sind wichtig. Aber wir sind keine Burgerfabrik, wir sind Berater, mit einer Haltung, mit einer Persönlichkeit, die nicht austauschbar ist. Aber genau das wurde uns gestern gesagt, wir sollen austauschbar sein. Egal wer den Burger zubereitet, der Kunde bekommt überall das Gleiche. Fällt eine*r aus, übernimmt einfach der andere. Vielleicht ist es einfach auch nur dieser Gedanke, der einigen von uns so schwer fällt und die bange Frage, was wird dann aus der Individualität. Vergleiche ich es mit der Entwicklung einer Website, dann steckt, verienfacht gesagt, im Backend viel Code, der in einer standardisierten Sprache geschrieben ist. In Befehlen, die dem Programm klar machen, was es zu tun hat. Sie sehen im Frontend das Ergebnis. Wer den Code schreibt oder die Website programmiert ist letztlich egal, es können auch Mehrere sein, die dies tun. Es kann sein, dass jemand den Code und die Befehle einfacher hält, ein andere etwas komplizierter codet. Im Frontend sehen Sie nur das Ergebnis. Ob es gut programmiert ist, eher weniger. Aber Code ist nicht alles. Die wichtigere Frage ist doch, von wem werden sie begleitet. Welche Impulse setzt derjenige, welche Gedanken und Ideen entwickelt er mit Ihnen. Provoziert er auch mal? Versteht er Sie? Versteht er Ihre Ideen? Kann er Sie begleiten und mit Ihnen Ihren Prozess gestalten und sie ein Stück des Wegs begleiten oder macht er 0815? Und vielleicht ist das genau unsere Sorge, die wir haben. Dass wir auf 0815 reduziert werden. Weil wir eben nicht mehr unsere Bandbreite ausspielen dürfen, sondern auf ein engeres Corsett zusammengeschnürt werden.
Naja, und dann waren da noch unsere ganzen wichtigen Fragen, die alle unbeantwortet blieben. Dabei hatten wir uns doch Klärung gewünscht und wurden aktiv dazu aufgefordert unsere Fragen zu stellen. Am Ende war einfach großes Schweigen, keine der Fragen zufriedenstellend geklärt. Wir wollten Klärung, kein Best Practice. Wir haben Auflagen zu erfüllen. Aufgrund von Corona aber gerade nicht erfüllbar sind. Auch nicht in ein paar Monaten. Die Auswirkungen, die dies haben könnte und die Klärung blieben aus. Und das macht uns ärgerlich. Schade drum. Chance vertan.