Die Woche ging um 15:15 Uhr zu Ende. Ich habe viel gelernt, ich habe viel geweint. Ich verstehe nun ein paar Dinge. Ich bekam liebevolle Rückmeldungen. Viele Umarmungen. Ich sprach wichtige Sätze. Ich hörte wichtige Sätze. Ich weiß, wo ein paar meiner seelischen Schmerzen sitzen. Ich werde weiter daran arbeiten.
Ein wenig von dem, was ich erlebt habe möchte ich hier teilen.
Bevor diese Woche der Weiterbildung der systemischen Beratung stattfand, wurden wir instruiert drei Genogramme zu zeichnen. Die Herkunftsfamilie meines Vaters, die Herkunftsfamilie meiner Mutter und meine Herkunftsfamilie. Wir hatten auch den Auftrag Fotos oder/und Erinnerungsstücke mitzunehmen. Im Vorfeld hatte ich also Fotos eingepackt, hatte Erinnerungsstücke herausgesucht. Und alles in eine goldene Weihnachtstüte gepackt auf der „Frohe Weihnachten“ steht.
Um die Genogrammarbeit, die wir kennenlernten, umzusetzen, sollten wir uns in Kleingruppen einteilen und Personen suchen mit denen wir arbeiten möchten. Ich stand erst bei einer anderen Gruppe, das fühlte sich aber noch nicht richtig an. Also ging ich nochmal auf die Suche. Am Ende waren wir zu viert und ich sehr froh genau diese Menschen gefunden zu haben und von ihnen in die Gruppe aufgenommen worden zu sein.
Im Lauf der Woche hatten wir immer wieder Zeit uns gegenseitig unsere Genogramme vorzustellen. Als ich fast am Ende der Woche mein Genogramm vorstellte und die Familie meiner Mama, sahen mich die Menschen an und meinten, dass allein aus dem Plakat, das ich auch mit Fotos gestaltet hatte (bei einem Genogramm hat man jetzt nicht soviel gestalterische Möglichkeiten) würde die Wärme und Geborgenheit herausstrahlen. Da liegt einer meiner Schmerzpunkte, ich vermisse meine Großeltern wirklich sehr. Zu gerne würde ich jetzt das Wochenende bei Ihnen verbringen und mit ihnen noch einmal die Stationen ihres Lebens durchgehen. Mit ihnen lachen und weinen und lieben. Heute habe ich die Gewissheit, dass sie mir viel Wärme und Liebe, Wohlwollen und Wertschätzung, vieles, was mich eben ausmacht mitgegeben haben, und sie mir, auch wenn sie schon lange Tod sind, den Rücken für meinen Weg stärken.
Neue Wege
Am Freitag also stellte ich meine Familie und meine Lebensgeschichte in unserer Teilgruppe vor. Jeder von uns, der seine Familie vorstellte, durfte sich noch zwei Personen auswählen. Neben meinen, inzwischen Herzensmenschen, hatte ich also noch zwei weitere Herzensmenschen an meiner Seite. Die anderen durften sich verteilen, wie sie mochten. Es traf sich, dass noch weitere Menschen in meiner Gruppe waren, mit denen ich in der Woche ganz besondere Kontakte hatte.
Genogrammarbeit ist das eine, das andere ist, die Familienaufstellung. Der Leiter, der mich durch die Arbeit begleitete, fragte mich nachdem ich meine Genogramme vorgestellt hatte, woher ich meinen Humor habe. Wir haben trotz der schweren Themen, auch viel gelacht. Wir vereinbarten miteinander, dass wenn ich tatsächlich ein Buch schreiben würde, er das Vorwort schreibt. Eine andere aus meiner Gruppe, möchte die Widmung übernehmen. Ich überlege seitdem. Es könnte auch eine Trilogie werden. Die Buchtitel, siehe Überschriften:
Das Haus – der Mann, der aus der Kälte kam
Er bat mich mir Personen für die Familie meines Vaters zu suchen. Ich suchte mir also Menschen aus, stellte sie auf ihre Positionen, wie ich es für richtig fand. Wir wurden alle mit viel Kälte, viel Einsamkeit, viel Anstrengung konfrontiert.
Danach sollte ich die Familie meiner Mama stellen. Ich hatte mir bereits bei meinen anderen Großeltern eine Person ausgewählt, die als Stellvertreterin meiner Großmutter fungierte, diese Person wählte ich nochmal für meine Lieblingsoma. Als Rückmeldung erhielten wir aus dieser Postion, wie wohl sich sich fühlte, wie warm hier alles sei.
Schließlich sollte ich meinen Vater, mich und meinen Bruder dazu stellen. Die Rückmeldungen erklärten mir dann ein wenig, was auch ich manchmal spüre. Also, in mir. Wenn etwas zu warm, zu nah, ist, dann habe auch ich Fluchttendenzen. Bis dahin war mir nicht bewusst, woher das kam.
Natürlich hatte ich mir auch schon vorgestellt, wie ich meine Familie gerne hätte. Mit dem Wunschbild hatte ich meinen Bericht über die Familie beendet. Der Leiter musste dann doch sehr lachen, weil auf meinem Plakat meiner Herkunftsfamilie folgender Satz stand „Die Alex macht des schon“. Er: „Du hast also auch schon gearbeitet.“. Trotzdem stellten wir natürlich erstmal den Beginn und dann erst, mein Wunschbild.
Die Alex macht das schon, aber nicht immer
Wieder erhielt ich aus der Postion meines Bruders eine wichtige Rückmeldung. Wieder gab es einen schmerzlichen Punkt, von dem ich seit Mittwoch weiß, dass er da ist. Diese tiefe Sehnsucht nach Anerkennung meiner Leistung für diese Familie. Speziell für meinen Vater. Da liegt der Schmerz.
Mir wurde allerdings auch klar, dass er nicht anders kann. Es sei denn er würde sich viel Hilfe holen und jemanden hinter den schmerzhaften eisernen Vorhang gucken lassen. Mein Part liegt nicht daran für alles vollstes Verständnis zu haben, sondern nur zu verstehen, welche möglichen Ursachen es hat, dass es so ist wie es ist. Ich kann jetzt für mich entscheiden, neue Wege zu gehen. An neuen Wegen und neuen familiären Beziehung zu arbeiten. Beziehungsweise Angebote zu machen. Die können, müssen nicht angenommen werden. Ich kann, muss die Angebote aber auch nicht machen.
Am Ende sitzt man dann da und bekommt von allen Rückmeldungen. Es gab viele Rückmeldungen, die mich berührt haben. Eine Rückmeldung fand ich besonders. Die Person, die ich zweimal für meine Aufstellung auswählte, meinte, sie sei noch von keinem so liebevoll aufgestellt worden, wie von mir. Von allen Personen, die ich ausgewählt hatte, kam viel Zustimmung. Dies hat mich nochmal ganz anders berührt, weil es mir zeigt, dass ich eine Feinfühligkeit und Achtsamkeit gegenüber Menschen in mir trage, die mir so überhaupt nicht bewusst war.
Das Schwere leicht gemacht
Nach der Familienaufstellung fühlte ich mich unheimlich leicht. Friedvoll. Ich bin den ersten Schritt auf meinem – meinen neuen Wegen gegangen. Sicher werde auch ich auf diesem Weg noch straucheln, stolpern, ruhen, fallen, wieder aufstehen müssen, aber ich bin den ersten Schritt gegangen und es ist mein Weg. Nicht der, denn irgendjemand gerne von mir hätte, dass ich ihn gehe, sondern mein Weg.
Nachdem dann die Woche beendet war und mich MonAmour abholte und wir so unterwegs waren. Ich noch meinen Gedanken hinterherhing, wurde mir bewusst, wie viel Glück ich hatte und habe. Mit meinen Großeltern, bei denen ich viel Zeit verbrachte, die mir all die Wärme mitgaben, mit meinem Mann, der mit mir an meiner Seite durchs Leben geht und mir viel Liebe und Wärme schenkt, und mich auch meinen Weg gehen lässt und dabei begleitet, wie mich diese Liebe und Wärme durchs Leben trägt. Und natürlich auch der Humor. Den ich von meinen Großeltern habe. Die Freude am Leben. All das, neben all der Kälte, dem Schmerz, bin ich, macht mich aus. Ist ein Teil von mir.
Ganz wichtiger Hinweis:
Bei der Familienaufstellung, wie wir sie in der systemischen Beratung praktizieren handelt es sich NICHT um die Familienaufstellungen nach Bert Hellinger. Die DGSF hat dazu auch eine Stellungnahme geschrieben. Ich bitte diese zu beachten. Ich distanziere mich hier ganz konkret und klar von den Familienaufstellungen Bert Hellinger’s. Die ich bereits während meiner Zeit als Erzieherin als äußerst kritisch betrachtet habe. Ich betrachte sie noch immer als äußerst kritisch und fragwürdig. Und wenn Sie mich fragen würden, würde ich jedem und jeder von einer Familienaufstellung nach Bert Hellinger abraten. Zu viele Psychotherapeutische Praxen arbeiten mit Menschen, die sekundärtraumatisiert wurden. Achten Sie bitte darauf, welche „Schule“ hinter der Familienaufstellung steht, falls Sie vorhaben, eine solche machen zu wollen. Sorgen Sie gut für sich.