Die Supervisionsgruppe trifft sich diesmal in Bamberg. Große Freude bei mir. Ich freue mich auf den Termin, auf die Leute, auf die Stadt. Habe ich dort doch an der Uni studiert. Fahre altbekannte Wege. Komme an der Uni vorbei, wo ich viele Jahre in Vorlesungen saß, Seminare besuchte. Fahre ins Parkhaus, welches ich öfter mal aufsuchte, wenn kein freier Parkplatz zur Verfügung war. Es freut mich sehr, dass der Zufall es so will, dass unser Treffpunkt in der Altstadt liegt unweit der Uni entfernt.
Die Mittagspause ist leider zu kurz um einen ausgedehnten Spaziergang zu machen. Ich liebe diese Altstadthäuser, die schmalen Gassen abseits der Touristenströme. Würde gerne am Flussufer entlang laufen. Doch dafür ist die Zeit zu kurz. Es reicht für eine kleine Runde an der dicken Frau vorbei, zum Marktplatz – dort laufen gerade die letzten Vorbereitungen für den Christopher Street Day – um schnell beim Bäcker einen großen Capuccino zu holen, ein wenig am Comicladen die Postkarten anzugucken, den Brief in der Postfiliale abzugeben, die jetzt im Copyshop wohnt, den ich so oft aufsuchte und pünktlich am Ausgangspunkt anzukommen.
Ich bin beschwingt und merke, dass mir dieses „Schnell mal in die Fußgängerzone“ fehlte. Etwas, was ich in Nürnberg während meiner ganzen Arbeitszeit fast direkt am Hauptmarkt sehr selten gemacht habe. Nürnberg ist einfach zu groß – also die Innere Altstadt. In Aschaffenburg ging ich viel öfter spazieren und shoppen, wenn ich da war. Einfach weil alles etwas kleiner kompakter ist. Jedenfalls im Innenstadtbereich.
Nach der Supervision bin ich ziemlich geschafft und müde. Will eigentlich nur noch nach Hause. Der Plan war eigentlich, nach der Supervision nochmal zum Comicladen und dann zum Media Markt. Zur Tiefgarage nehme ich den langen Weg durch ein schmales Gäßchen. Freue mich über die Häuser. Laufe durch einen Wohnkomplex mit ausgewiesenen Fußgängerweg, um auf die andere Seite zu kommen und laufe, das ganze Stück im parallel verlaufenden Gäßchen wieder zurück bis ich an der Tiefgarage ankomme.
Beim zahlen des Parktickets spüre ich die Preissteigerung. Vor 10 Jahren war das noch billiger. Inzwischen hat das Nürnberger Niveau erreicht. Vermutlich ist es da jetzt auch teurer.
Mein Körper, das unbekannte Wesen
Als ich aus dem Parkhaus rausfahren will, hat sich eine Schlange vor der Schranke gebildet. Ich bleibe also auf meinem Parkplatz stehen und warte, bis sich die Autoschlange aufgelöst hat. Leider habe ich nicht lange genug gewartet. Denn die Schlange steht jetzt an der Ampel, für mch bedeutet das, dass ich mitten auf der steilen Ausfahrt nach oben stehen bleiben muss.
Erst überfällt mich Sorge, weil das Auto eine ziemlich schlüpfrige Kupplung hat. Dann Panik. Das Auto hinter mir winke ich vorbei. Der Autofahrer unten hinter der Schranke erfasst intuitiv meine Not und bleibt wo er ist. Während ich im Auto versuche das Zittern, dieses panische Gefühl, dass meinen ganzen Körper erfasst irgendwie in den Griff zu bekommen. Ich stehe also mitten in der Auffahrt und kämpfe gegen die Angst rückwärts nach unten zu rutschen, weil die Bremsreaktion versagen könnte und ich mit dem Auto gegen die Schrankanlage und das hinter der Schranke wartende Auto knalle.
Gleichzeitig kriege ich den Gang nicht geregelt. Mein Fuß zittert zu sehr. Als ich es mit Handbremse und Kupplung probieren möchte rutscht der Fuß von der Kupplung. Mehrmals würge ich das Auto ab. Am liebsten würde ich jetzt aussteigen und einfach davonlaufen. Geht nur leider nicht. Irgendjemand muss dieses Auto hier wegbekommen. Ich versuche ruhig zu atmen, während die Panik in mir hochsteigen möchte. Ich bete es möge klappen.
Als ich mich einigermaßen ruhig fühle (soweit das mit einem zitternden Körper geht) gelingt es mir tatsächlich die Kupplung am Schleifpunkt zu halten die Handbremse zu lösen, einigermaßen gut dosiert Gas zu geben und auf die Straße zu fahren. Als ich an der Ampel stehen bleib schlenkert mein Kupplungsbein hin und her. Ich will nur noch weg. Nehme trotzdem einen kleinen Umweg in Kauf, weil ich mich erst noch beruhigen muss und merke, dass ich die Sicherheit nur über das Fahren zurück gewinnen kann.
Instinktiv ahne ich, dass ich, wenn ich jetzt unmittelbar an den Straßenrand fahren, halten und aussteigen würde, einfach zusammenbrechen würde.
Ich fahre trotzdem zum Media Markt. Neben jetzt und sofort nach Hause fahren und vielleicht doch kurz zum Media Markt, mal wieder Technikzeugs gucken, schwanke ich gedanklich hin und her bis ich vor dem Markt stehe. Ich fahre auf den Parkplatz. Dieses Gefühl der Panik ebbt nur langsam ab. Ich fahre auf einen der hintersten Parkplätze. Dort ist es vom Ausparken her sicherer. Nur wenig Fußgängerverkehr und wenig Ein-, und Ausfahr-Parkverkehr. Mein Sicherheitsgefühl hat stark gelitten.
Technik gucken
Früher ging ich viel in so Technikzeugläden. Einfach um zu gucken. Mit der Erfahrung im Kopf laufe ich durch den Markt. Gucke hier mal und dort mal, so richtig Freude macht es nicht. Die Bewegung lässt jedoch den Körper ruhiger werden. Trotzdem ist immer noch alles in Habachtstellung.
Die Wege eines sehr jungen Mannes und mir kreuzen sich öfter. Immer wenn sich unser Weg kreuzt sagt er „Hallo“ mit gesenktem Kopf. Automatisch antworte ich ebenfalls und wundere mich, warum er mich grüßt. Denn er gehört ganz offensichtlich nicht zum Personal und ist auch kein Azubi.
Vielleicht, so kommt es mir jetzt beim Schreiben, versucht er damit seine Schüchternheit zu überwinden. Bei Frauen über fünzig ist es vielleicht auch nicht ganz so schlimm wie bei jungen Mädels seines Alters. Zumindest macht er auf mich einen etwas verschüchternden und verschreckten Eindruck. Da wir beide um die CD-Abteilung kreisen, grüßt er mich dreimal. Ob er das auch bei anderen macht, kann ich nicht beobachten, ich bin zu sehr mit mir und den widersprüchlichen Gefühlen in mir beschäftigt.
Habacht
Ich verlasse den Laden mit wenig Erkenntnis und ohne etwas mitzunehmen. Laufe zum Auto. Mein Körper ist noch immer ein wenig in Aufruhr. Ich merke das auch noch beim Fahren. Immer noch Habachtstellung. Irgendjemand meint es gut mit mir und weder das Stoppschild noch das Linksabbiegen bereitet Schwierigkeiten, da die Straße erstaunlich leer ist. Meine Gedanken kreisen ums Autofahren und brenzlige Situationen.Seit wann bitte mache ich mir diese Gedanken übers Linksabbiegen? Später als ich endlich die Autobahn erreicht habe und es nur noch geradeaus geht, stellt sich auch die alte Fahrsicherheit wieder ein.
Wieder in Nürnberg und beim Einkaufstempel meiner Wahl, haben sich Körper und Geist beruhigt.
Im Nachhinein beschäftigt mich allerdings schon sehr, wie stark mein Körper in letzter Zeit auf bestimmte Situationen mit Ängsten und aufkeimenden panischen Gefühlen reagiert. Ich will hier noch nicht von Panikattacken sprechen. Die dürften noch viel heftiger ausfallen, als meine „Lightversion“. Ich sehe jedoch handlungsbedarf. Bisher hatte ich mit dem Autofahren wenig Probleme. Fühlte mich jeder Situation gewachsen. Ich würde jetzt gerne behaupten es liegt am Auto. Mit unserem damaligen Alltagsauto bin ich ja auch oft und auch hinter Autos wartend am „Steilhang“ stehend ohne panischer Gefühle aus dieser Tiefgarage gefahren. Es ist jetzt allerdings das zweite Mal, das in mir panische Gefühle aufsteigen in völlig unterschiedlichen Situationen. Das erste Mal, war die geschlossene Garage, die ein ähnliches Gefühl ausgelöst hat, nur nicht ganz so stark. Nein, stimmt nicht, die sprudelnde Toilette. Da war auch schon so ein Anflug zu spüren.
Was auch immer da passiert, ich sollte wohl mal genauer hinschauen. Es kann ja nicht alles an den Hormonen liegen, oder doch?
Zweimal Abendmahl
MonAmour und ich hatten unabhängig voneinander die gleiche Idee. Als ich nach Hause komme und das Auto auslade kommt MonAmour die Straße entlang gelaufen mit einer Tüte in der Hand. Er war im örtlichen Einkaufstempel um Abendessen einzufangen. Auch ich hatte für unser Abendmahl gesorgt. Wir entscheiden uns für eine Kombi. Sein Fang mit einem Teil Salat, den ich einkaufte. Meinen Fang gibt es dann am nächsten Tag.